Seit dem 20. August steht endlich der Kompromiss zum Bundeshaushalt 2025. Die erneute Einigung der Ampel dürfte den Bundestag weiter beschäftigen. Milliardenlöcher sind geblieben; an der Schuldenbremse halten die Liberalen dennoch fest. Und auch, wenn Einsparungen im Sozialen abgewandt scheinen: Wesentliche Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sind bislang nicht umgesetzt. Dazu gehört unter anderem das von Millionen Menschen erwartete Rentenpaket II.
Eigentlich hatten die Ampelspitzen Anfang Juli nach wochenlangem Ringen verkündet, sich auf einen Haushaltsentwurf geeinigt zu haben. Mitten in der Sommerpause flammte der Streit dann neu auf. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte Nachverhandlungen auf Basis zweier Gutachten an. Damit wackelte der zuvor mühsam verhandelte Kompromiss. Ein weiteres Mal ging es dabei auch um die Frage: Soll am Sozialstaat gespart werden?
Die Ausgangslage ist keine einfache: Während die Ausgaben steigen, gilt es gleichzeitig, erhebliche Finanzierungslöcher zu schließen. So hat der Staat zur Bewältigung der Corona-Pandemie notwendige, teure Maßnahmen ergreifen müssen. Auch die Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine schlagen zu Buche: Der Verteidigungsetat ist enorm gewachsen. Obendrein ist die Lage der öffentlichen Kassen angespannt.
Tief im Minus sind die gesetzlichen Krankenkassen. Hier droht in den nächsten zehn Jahren ein Beitragssprung von 16,3 auf 19,3 Prozent. Die soziale Pflegeversicherung wird ihren Beitragssatz 2025 aufgrund der roten Zahlen voraussichtlich um 0,2 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent anheben müssen. Insgesamt könnten die Beiträge für die Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung bis 2035 um 7,5 Beitragspunkte auf 48,6 Prozent steigen.
Zugleich muss Deutschland seine marode Infrastruktur modernisieren. Dazu gehört die Sanierung von Brücken, Schulen und des Streckennetzes der Deutschen Bahn. In der Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft liegt eine weitere unumgängliche und kostenintensive Aufgabe. Unterdessen verfestigen sich in Deutschland soziale Schieflagen; die Ungleichheit nimmt stetig zu. Das zeigt sich etwa beim Zugang zu Bildung, zur Gesundheitsversorgung, bei sozialer und wirtschaftlicher Teilhabe.
Studie relativiert (zu) hohe Sozialausgaben
Genau hierum kreisen die Konflikte innerhalb der Regierung. Aus Sicht von Finanzminister Lindner ist der Bundeshaushalt auch deshalb strapaziert, weil der Staat zu viele soziale Leistungen übernimmt. SPD und Grüne sehen hingegen kein Einsparungspotenzial bei den Sozialausgaben. Im Gegenteil: „Der Sozialstaat darf nicht kaputtgespart werden“, heißt es von der anderen Koalitionsseite. Die Schuldenbremse sei zu reformieren, um Zukunftsinvestitionen tätigen zu können – beides Einschätzungen, die der SoVD seit Langem teilt.
Fallen die Sozialabgaben denn tatsächlich zu üppig aus? Hierzu gab es bereits Anfang des Jahres neue Zahlen. Eine Datenanalyse des gewerkschaftsnahen Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass die Staats- und Sozialausgaben in Deutschland weder im internationalen noch im historischen Vergleich besonders hoch sind.
Im Vergleich mit anderen Industrieländern zeigt sich laut Erhebung außerdem, dass auch das Wachstum der realen öffentlichen Sozialausgaben in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren nicht außergewöhnlich hoch war. Unter den 27 Ländern der Industriestaaten-Organisation OECD, für die die aktuellsten Daten von 2002 bis 2022 verfügbar waren, belegt Deutschland demnach mit einem Zuwachs von 26 Prozent für diesen Zeitraum den drittletzten Platz und sei somit eines der Länder mit dem geringsten Anstieg, so das IMK.
Endlich die Weichen zum Zukunftsthema Rente stellen
„Deutschland braucht einen verlässlichen Bundeshaushalt 2025 – ohne Kürzungen im Sozialbereich!“, mahnte auch die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier angesichts der erneut täglich öffentlich ausgetragenen Debatten.
Zum Zukunftsthema Rente sagte die Vorstandsvorsitzende: „Gerade hier sind vor dem Hintergrund des fortschreitenden demografischen Wandels wichtige Weichen zu stellen. Die Menschen benötigen die Gewissheit, im Alter ein armutsfestes Leben führen zu können.“
Ebenso dringend müsse die Gesundheitsversorgung im ambulanten und stationären Bereich optimiert und an die längst veränderte Situation angepasst werden, so Engelmeier weiter. Dies gelte gleichermaßen für die Pflege im Heim und zu Hause.
Zur Finanzierung Blick auf die Einnahmenseite richten
Von Bundesregierung und Gesetzgeber fordert der SoVD, die sozialen Sicherungssysteme zu stärken und die fortschreitende Privatisierung zurückzudrängen.
Um brennende soziale Probleme lösen zu können, sollte die Politik den Blick stärker auf die Einnahmenseite richten. Denn hier liegen nach Einschätzung des SoVD große Potenziale für langfristige Investitionen in gesellschaftlichen Zusammenhalt, Klimaschutz und den Wohlstand der Zukunft.
„Die Einnahmen der Sozialversicherungszweige müssen gerechter und höher werden, indem künftig alle Bürger*innen einbezogen werden“, führt die SoVD-Vorstandsvorsitzende dazu weiter aus. Die Alterssicherung müsse über eine Erwerbstätigenversicherung und die Absicherung bei Krankheit und Pflege über Bürgerversicherungen erfolgen.
„Darüber hinaus sind die Abschaffung des Dienstwagenprivileges, eine Übergewinnsteuer für Unternehmen zu Krisenzeiten, eine höhere Besteuerung der Superreichen und ein neues Erbschaftsrecht aus unserer Sicht weitere praktikable Lösungen“, sagt Engelmeier.
Zentrale Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ungelöst
Auch wenn die Haushaltsvereinbarungen für 2025 nun ohne Sozialkürzungen zur weiteren Beratung an den Bundestag gingen, darf nicht vergessen werden: Zentrale Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sind weiter ungelöst. Neben dem Rentenpaket II gehört hierzu auch eine echte Kindergrundsicherung. Der stark heruntergeköchelte Gesetzentwurf hängt fest, an ausreichenden Leistungshöhen fehlt es weiterhin. In der bestehenden Legislatur bleibt dafür nicht mehr viel Zeit. Der SoVD drängt deshalb darauf, die Versprechen einzulösen.
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