1 Zusammenfassung des Gesetzentwurfs
Mit dem Referentenentwurf zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes setzt der Gesetzgeber verschiedene Vorgaben um: Bei Vorliegen der neuen Einkommens-und Verbrauchsstichprobe ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Höhe der Regelbedarfe neu zu ermitteln und für das Asylbewerberleistungsgesetz die Höhe der Geldleistungen für den notwendigen Bedarf und den notwendigen persönlichen Bedarf neu festzusetzen. Der Gesetzgeber muss die Anforderungen aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) und vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) sowie dem Beschluss vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) beachten.
Der Referentenentwurf sieht nach den vorangegangenen Regelbedarfsermittlungen zum 1. Januar 2011 und zum 1. Januar 2017 erstmalig vor, bei den Kommunikationsausgaben die Nutzung von Mobilfunk zu berücksichtigen.
2 Gesamtbewertung
Der SoVD erhielt am 15. Juli 2020 den Referentenentwurf "Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes". Die Möglichkeit zur Stellungnahme endet bereits am 21. Juli 2020. Diese kurze Stellungnahmefrist von nur sechs Tagen wird weder der Tragweite der Regelung für Grundsicherungsbeziehende gerecht, noch sichert sie eine angemessene Beteiligung der Verbände. Der SoVD erneuert daher seine Forderung nach verbindlichen Partizipationsstandards. Zugleich wird darauf verwiesen, dass aufgrund der kurzen Frist nur eine vorläufige Stellungnahme abgegeben werden kann.
Der Gesetzentwurf bleibt aus Sicht des SoVD weit hinter den Erwartungen zurück. Nach den Regelbedarfsermittlungsverfahren, die zum 1. Januar 2011 und 1. Januar 2017 in Kraft getreten sind, wird auch mit vorliegendem Referentenentwurf kein Verfahren zu Grunde gelegt, das aus Sicht des SoVD eine soziokulturelle Existenzsicherung gewährleisten könnte. Vielmehr haben erhebliche methodische Mängel zur Folge, dass Grundsicherungsbeziehende ihr Recht auf ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe nicht vollumfänglich werden wahrnehmen können.
Unter der Überschrift „Spaltungen verhindern, Zusammenhalt stärken – kein ‚Weiter so‘ bei den Regelsätzen‛ haben sich der SoVD und weitere Verbände und Gewerkschaften mit einem Brief am 10. März 2020 an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und an Vertreter*innen demokratischer Parteien im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags gewandt. Die darin angebrachte Kritik an den vergangenen Verfahrensweisen zur Bemessung der Regelsätze wurden an keiner Stelle des Referentenentwurfs aufgegriffen.
Vielmehr weist die Verfahrensweise der Regelbedarfsermittlung die gleichen methodischen Mängel auf, die in der Vergangenheit vom SoVD und vielen weiteren Wohlfahrts-und Sozialverbänden sowie Gewerkschaften kritisch angemerkt worden sind: So soll die Höhe der Regelsätze auch bei dieser Regelbedarfsermittlung auf Basis der Konsumausgaben der unteren 15 Prozent der Ein-Personenhaushalte sowie des unteren Fünftels der Paar-Haushalte mit einem Kind, zu denen auch Aufstocker*innen und verdeckt Arme hinzugezählt werden, festgelegt werden. Dabei wird das Wenige, das einkommensschwache Haushalte ausgeben können, mit dem Existenzminimum gleichgesetzt, das sichergestellt werden soll. Das Statistikmodell wird mit dem Warenkorbmodell vermischt. So werden vielfach Ausgaben als „nicht relevant‛ aus dem Regelsatz herausgestrichen, z.B. der Weihnachtsbaum, das Haustier oder Zimmerpflanzen.
Auch trägt der Referentenentwurf der besonderen derzeitigen Situation während der Corona-Pandemie keinerlei Rechnung. Armutsbetroffene trifft diese Krise in besonderem Maße und trotzdem werden sie in den Sozialschutzpaketen oder dem Konjunkturpaket kaum berücksichtigt. Obwohl die Lebensmittelpreise während der Krise gestiegen sind, Tafeln schließen mussten und insbesondere zu Anfang der Krise das Leerkaufen von Waren es vielen Grundsicherungsbeziehenden unmöglich machte, auf günstige Produkte zurückzugreifen, haben sie keine zusätzliche finanzielle Hilfe erhalten – und das obwohl das Bundesverfassungsgericht 2014 bereits Bedenken äußerte, dass durch zahlreiche Streichungen „der Gesetzgeber jedoch an die Grenze dessen [käme], was zur Sicherung des Existenzminimums verfassungsrechtlich gefordert ist.‛ Die besonderen Hygieneregelungen erhöhten in der speziellen Situation während der Pandemie darüber hinaus die Ausgaben für Gesundheit. Daher hat der SoVD in einem breiten Bündnis 100 Euro Soforthilfe für Grundsicherungsbeziehende zusätzlich pro Monat gefordert – bislang ohne Erfolg.
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