Die Deutsche Bahn, NAH.SH und das Land Schleswig-Holstein wollen in den alten Bargteheider Bahnhof jetzt aber nicht mehr viel Geld investieren. Denn bis zum Jahr 2024 ist ein großes Projekt geplant: der Bau einer S-Bahnlinie (S4) von Hamburg bis zur Kreisstadt Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein. Die neuen Gleise sollen dabei auch durch Bargteheide führen und in diesem Zusammenhang soll der Bargteheider Bahnhof, einschließlich der Gleisanlagen, komplett umgebaut bzw. neu gebaut werden.
Einerseits verständlich, dass man da vorher nicht mehr so viel Geld investieren will. Aber kommt die S4 wirklich? Und wenn ja, wann? Was machen die Menschen mit Behinderungen bis dahin?
„Ja, Inklusion kostet manchmal Geld.“
Ja, Inklusion kostet manchmal Geld. Aber Inklusion und Barrierefreiheit sind für alle gut: für Kinder, für Eltern mit Kinderwagen, für Fahrradfahrer, für Reisende mit schwerem Gepäck, für ältere Menschen mit Gehhilfen und Rollatoren genauso wie für RollstuhlfahrerInnen und Menschen mit anderen Beeinträchtigungen.
Was viele nicht wissen: Die Deutsche Bahn ist ein international agierender Konzern, dem unter anderem die Tochterunternehmen DB Arriva plc. mit den roten Doppeldecker-Bussen in London und der internationale Logistikkonzern Schenker angehören. Im Geschäftsfeld DB Arriva sind die Personenverkehrsaktivitäten außerhalb Deutschlands gebündelt, mittlerweile für 14 europäische Länder. Allein bei Schenker wurde zuletzt ein Jahresumsatz von über 14 Milliarden Euro verbucht (Alle Angaben: https://www.deutschebahn.com/de/konzern/Konzernunternehmen).
Der Bau der S4 von Hamburg nach Schleswig-Holstein soll im Vergleich dazu „nur“ eine knappe Milliarde Euro kosten. Wie viel davon die Deutsche Bahn bezahlen wird und wie viel der Steuerzahler, ist noch nicht entschieden. Selbst wenn diese Einigung herbeigeführt ist, können wir in Bargteheide mit der dringend erforderlichen Barrierefreiheit des 153 Jahre alten Bahnhofs und der Bahnsteige nicht bis zur Fertigstellung der S4 im Jahr 2024 warten!
Warum schaffen wir es nicht, einen 150 Jahre alten Bahnhof zeitnah barrierefrei umzubauen?
Der Bund und die Länder – also auch das Bundesland Schleswig-Holstein – unterstützen die Deutsche Bahn dabei „mit erheblichen Fördersummen“. Jedes Jahr werden 100 Stationen barrierefrei ausgebaut. Aber bisher verfügt erst etwas mehr als die Hälfte der bestehenden Bahnsteige über eine Bahnsteighöhe, die beim Einsatz passender Fahrzeuge einen niveaugleichen Einstieg erlaubt. Da demnach erst rund die Hälfte der Deutschen Bahnsteige barrierefrei ist, wird es also in diesem Tempo rund 25 Jahre dauern, bis auch der letzte Bahnhof in Deutschland barrierefrei ist.
„Verstoß gegen UN-Behindertenrechtskonvention“
Das halte ich für einen gesellschaftspolitischen Skandal und einen eklatanten Verstoß gegen die Artikel 9 und 20 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sowie gegen Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) und gegen § 4 Behindertengleichstellungsesetz (BGG).
Der so genannte „Aufgabenträger“, die NAH.SH, hatte mir in einem ausführlichen Telefonat im Sommer 2017 – vor mehr als einem Jahr – angekündigt, dass sie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn planen, wenigstens den Bahnsteig an Gleis 3 am Bahnhof Bargteheide auf einem Teilstück von ca. 30 Metern Länge zu erhöhen, so dass er zukünftig auch für die Nutzung mit Rollstühlen, E-Rollstühlen und Elektromobilen/E-Scootern geeignet ist.
Passiert ist seitdem praktisch nichts.
Ist es ethisch und moralisch vertretbar, dass der Bahnhof noch mindestens weitere sechs Jahre – bis zur Fertigstellung der S4 – nicht barrierefrei bleibt? Dass die meisten Menschen mit Behinderungen ihn weiterhin nicht nutzen können und damit in ihrer Bewegungsfreiheit und persönlichen Lebensgestaltung stark eingeschränkt sind? Ich meine: nein! Denn Alternativen gibt es kaum. Buslinien verkehren nur selten, insbesondere in den Abendstunden und am Wochenende. Und Rollstuhlfahrer sowie Elektromobile werden von Bussen nur sehr eingeschränkt und ungern mitgenommen.
Meine einfache Frage lautet daher: Wann wird der Bahnhof Bargteheide endlich barrierefrei?
*Andreas Reigbert ist ehrenamtlich für den BSK tätig und leitet die Kontaktstelle des Verbands im Kreis Stormarn. Der Diplom-Politologe setzt sich vor allem für Barrierefreiheit im ÖPNV ein und ist Mitglied im Sozialverband Schleswig-Holstein.
Der Sozialverband Deutschland vertritt in Schleswig-Holstein mehr als 150.000 Mitglieder. Wir helfen in sozialen Angelegenheiten, etwa bei Problemen mit der Rente oder rund um das Thema Behinderung.
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Kommentare (1)
Wöllner Manfred
am 28.11.2022Moin Ramona,
vielen Dank für die gelungene Weihnachstfeier gestern in Bargteheide
Liebe Grüße
Astrid und Manfred Wöllner
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