1 Zusammenfassung des Gesetzesentwurfs
Der Deutsche Bundestag hat am 25. März 2020 nach § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt (BT-PlPr 19/154, S. 19169C) und zuletzt am 25. August 2021 (BGBl. I S. 4072) das Fortbestehen beschlossen. Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt aufgrund von § 5 Absatz 1 Satz 3 IfSG mit Ablauf des 25. November 2021 als aufgehoben, sofern der Deutsche Bundestag bis dahin keinen Beschluss über die Fortgeltung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite trifft.
Der Gesetzentwurf sieht als zentrale Änderung eine Neuregelung der Folgeregelungen des Infektionsschutzgesetzes anlässlich der drohenden Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Ablauf des 25. November 2021 vor. Es werde bei der weiteren Bekämpfung der andauernden Pandemie erwartet, so der Entwurf, dass anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite künftig präventive Maßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe im Vergleich zum bisherigen Katalog des § 28a Absatz 1 IfSG erforderlich sind. Eine Entscheidung durch die Landesparlamente sei angesichts der geringeren Eingriffstiefe der zukünftig erforderlichen präventiven Maßnahmen im Vergleich zum bisherigen Katalog des § 28a Absatz 1 IfSG nicht mehr geboten. Stattdessen ist ein neuer bundeseinheitlich anwendbarer Katalog mit ausgewählten Schutzmaßnahmen vorgesehen, der unabhängig vom Sonderrecht der epidemischen Lage von nationaler Tragweite künftig dem Bedarf an schnellen Reaktionsmöglichkeiten besser Rechnung tragen soll.
Flankiert werden die zentralen Änderungen im Infektionsschutzgesetz von weiteren Gesetzesänderungen mit Schutzmaßnahmen zur Pandemiebekämpfung und finanzielle Hilfen in diversen Lebensbereichen auch für das Jahr 2022.
2 Gesamtbewertung
Für den Sozialverband Deutschland steht der Schutz besonders vulnerabler Menschen sowie die nachhaltige Überwindung der Pandemie bei der Bewertung des vorgelegten Gesetzentwurfes an oberster Stelle.
Anlässlich kontinuierlich steigender Infektionszahlen, der sich zuspitzenden Situation auf den Intensivstationen und nur schleppend anlaufender Drittimpfungen (so genannte Booster-Impfungen) geht von der zentral vorgesehenen Änderung des Infektionsschutzgesetzes und von dem Gesetzentwurf insgesamt ein falsches Signal aus. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Entscheidung, den vorliegenden Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, der anlässlich der drohenden Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Ablauf des 25. November 2021 zur weiteren Bewältigung der Pandemie Folgeregelungen mit geringerer Eingriffstiefe einführen soll, für den Sozialverband Deutschland vollkommen unverständlich.
Zwar sollen bundesweit einheitliche Folgeregelungen auf den Weg gebracht werden, die je nach Entwicklung der aktuellen Lage erforderliche Schutzmaßnahmen zeitnah ermöglichen sollen, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Auch sind viele der finanziellen Entlastungs-und Unterstützungsleistungen sowie die erleichterten Leistungszugänge grundsätzlich wichtig und richtig. Angesichts der sich zuspitzenden Lage ist dies jedoch kaum der rechte Zeitpunkt, um über Folgeregelungen nachzudenken.
Gerade die wirkungsvollsten und tiefgreifendsten Schutzmaßnahmen knüpfen an die Feststellung einer epidemischen Lage an. Im Laufe der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber zahlreiche Regelungen getroffen, um das Ergreifen von Schutzmaßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu ermöglichen und um finanzielle Folgen der Pandemie abzumildern, wie die besonderen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach § 28a Absatz 1 IfSG dies vorsehen. Diese besonderen Schutzmaßnahmen können bislang nach der aktuellen Fassung des § 28 a Absatz 7 Satz 1 IfSG auch nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite vorübergehend angewendet werden, soweit und solange die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 in einem Land besteht und das Landesparlament die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 6 des § 28a IfSG für das Land feststellt. Mit der geplanten Neuregelung des § 28a Absatz 7 IfSG fällt diese umfassende Maßnahmenmöglichkeit weg. Läuft die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Ablauf des 25. November 2021 aus, wird es den Ländern mit dieser Änderung des § 28a Absatz 7 IfSG nicht mehr möglich sein, von dem Gesamtkatalog Gebrauch zu machen. Bundeseinheitlich steht dann nur noch ein Katalog mit ausgewählten Schutzmaßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe zur Verfügung.
Aus Sicht des SoVD werden in den nächsten Wochen und Monaten Maßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe wohl kaum ausreichen. Zur Bewältigung der aktuell prekären und sich täglich weiter zuspitzenden Lage trägt dieser Gesetzentwurf nicht bei. Vielmehr scheint angesichts der aktuellen Lage die Fortsetzung der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite im Kampf gegen die Pandemie angezeigt. Gerade zum Schutz besonders vulnerabler Menschen in unserer Gesellschaft müssen notwendige Schutzmaßnahmen zur Verfügung stehen und alle erforderlichen Anstrengungen unternommen werden. Mehrfach hat der Deutsche Bundestag in der Pandemie seine Handlungsfähigkeit auch bei größter Eilbedürftigkeit erfolgreich bewiesen. Es ist jetzt an der Zeit, dies erneut unter Beweis zu stellen.
Berlin, 12. November 2021
DER BUNDESVORSTAND Abteilung Sozialpolitik
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