ALG - gibt es bei der Höhe eine Deckelung?
Aktuelles Armut
Wie hoch ist das Arbeitslosengeld? Klar, es orientiert sich an Ihrem vorherigen Einkommen. Aber mit wie viel Geld können Sie am Ende genau rechnen? Und wie hoch ist das ALG maximal?
Als Angestellter zahlen Sie jeden Monat automatisch mit Ihrem Gehalt Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Aktuell 2,4 Prozent Ihres Brutto-Einkommens, die Hälfte davon überweist jedoch Ihr Arbeitgeber. Im Gegenzug beziehen Sie nach dem Verlust Ihres Jobs Arbeitslosengeld. Aber hier lohnt ein Blick in die Details.
Arbeitslosengeld ist nicht gleich Arbeitslosengeld
Denn wir müssen unterscheiden. Zwischen dem Arbeitslosengeld I (ALG I) und Arbeitslosengeld II (ALG II). Im Volksmund wird das erste häufig einfach als Arbeitslosengeld bezeichnet, das zweite gern als "Hartz IV". Leider vermischen viele Menschen die beiden Geldleistungen - dabei bestehen fundamentale Unterschiede.
Denn: ALG I ist eine Versicherungsleistung. Sie haben nur Anspruch auf Arbeitslosengeld I, wenn Sie zuvor ausreichend lange eingezahlt haben. Grundsätzlich braucht es dafür zwölf Monate - auch wenn bis Ende 2022 eine "verkürzte Anwartschaftszeit" reichen kann. "Hartz IV" dagegen ist eine Sozialleistung. Um Leistungen vom Jobcenter zu erhalten, müssen Sie zwar bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Eine Zahlung von bestimmten Beitragszeiten gehört aber nicht dazu.
So lässt sich auch einfach erklären, dass Arbeitslosengeld in der Regel deutlich höher ausfällt als ALG II. Denn das Arbeitslosengeld basiert auf dem, was Sie vorher in Ihrem Job verdient haben. Arbeitslosengeld II dagegen ist als Sozialleistung stark vereinheitlicht. Als alleinstehende Person bekommen Sie aktuell (im Jahr 2021) gerade einmal 446 Euro. Dazu kommen noch die angemessenen Kosten der Unterkunft. Das heißt: Wenn Sie im Jobcenter landen, spielt es keine Rolle mehr, was Sie vorher verdient haben. Sie bekommen genau so viel wie alle anderen.
Berechnung ALG I
Aber jetzt Butter bei die Fische. Wie hoch kann dagegen das Arbeitslosengeld I ausfallen?
Wie schon gesagt: Maßgeblich hängt die Zahlung von Ihrem vorherigen Verdienst ab. Letztlich aber vom Netto-Einkommen. Das bedeutet: Mit einer günstigen Steuerklasse erhalten Sie auch ein höheres Arbeitslosengeld. Darüber hinaus spielt jedoch außerdem eine Rolle, in welchem Bundesland Sie zu Hause sind und ob Kinder bei Ihnen im Haushalt leben.
Freddy (46 Jahre) lebt mit Frau und drei Kindern in Schleswig. Da seine Firma ihn entlassen musste, beantragt Freddy Arbeitslosengeld I. Zuvor hat er mehr als elf Jahre im gleichen Betrieb gearbeitet und monatlich 4000 Euro brutto verdient.
Um das Arbeitslosengeld zu berechnen, geht die Arbeitsagentur nun wie folgt vor.
- Bemessungsentgelt errechnen
- Abzug von Sozialabgaben, Lohnsteuer und Soli
- 60 Prozent oder 67 Prozent?
- Monatlicher Zahlbetrag
Gehen wir die einzelnen Schritte einmal für Freddy aus unserem Beispiel durch. Das Bemessungsentgelt ergibt sich, wenn wir das Jahres-Bruttoeinkommen durch 365 teilen. 4000 x 12 sind 48.000 Euro. Geteilt durch 365 macht das 131,50 Euro.
Jetzt müssen wir eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 Prozent abziehen. Außerdem die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag. Abzüglich der Sozialversicherung landen wir bei 103, 90 Euro. Bei den Steuern machen wir es uns einfach und ziehen bummelig bei Steuerklasse 3 noch einmal zehn Prozent ab. Es bleiben 93,50 Euro.
Da Freddy und seine Frau Kinder haben, wird dieser Betrag nun mit 0,67 multipliziert. Ohne Kinder wären es nur 60 Prozent. In Freddys Fall ergibt das 62,64 Euro.
Um das monatliche Arbeitslosengeld zu berechnen, wird dieser Betrag jetzt noch mit 30 multipliziert. Macht insgesamt 1879,38 Euro.
Das maximale ALG?
Allerdings gibt es beim Arbeitslosengeld I eine Begrenzung. Wer mehr als 85.200 Euro brutto im Jahr verdient, erhält daraus keinen zusätzlichen Cent für das spätere Arbeitslosengeld. Im Jahr 2021 ist das die aktuelle Bemessungsgrenze für Westdeutschland. Diese liegt im Osten des Landes bei 80.400 Euro.
Wenn wir also für Westdeutschland mit einem Betrag von 7.100 Euro pro Monat (85.200 Euro im Jahr) rechnen, kommen wir auf ein maximales Arbeitslosengeld von 2925 Euro bei Steuerklasse III und Kindern im Haus. Ein sehr gut verdienender Single mit Steuerklasse I würde maximal 2237 Euro von der Arbeitsagentur erhalten.
"Die Höhe des ALG I hängt vor allem von Ihrem Einkommen aus den letzten zwölf Monaten ab. Darüber hinaus ist wichtig, ob Kinder im Haus sind und welche Steuerklasse Sie aktuell nutzen. Wenn Sie sehr viel verdient haben, ist außerdem wichtig, ob Sie in West- oder Ostdeutschland leben."
Christian Schultz, SoVD Schleswig-Holstein
Fazit
Arbeitslosengeld I wird also gedeckelt. Die aktuellen Bemessungsgrenzen für das Jahr 2021 liegen bei 85.200 Euro für den Westen und 80.400 Euro für den Osten der Republik. Bei Steuerklasse I und keinen Kindern im Haushalt kann so ein Maximalanspruch in Höhe von 2237 Euro monatlich entstehen. Alleinverdiener mit Familie und sehr hohem Verdienst kommen auf knapp 3000 Euro.
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Kommentare (15)
Willi
am 04.05.2023Guten Tag,
wird ALG 1 immer nach dem Einkommen der letzten 12 Monate berechnet? Hintergrund: Ich werde sowohl mit einem Fixum, als auch einer Variablen entlohnt, daher sind starke Gehaltsschwankungen möglich.
Gruß
Willi
Christian Schultz
am 05.05.2023Hallo Willi, ja - wichtig sind die vergangenen zwölf Monate. Schauen Sie mal auf die offizielle Seite der Arbeitsagentur: https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslos-arbeit-finden/arbeitslosengeld/finanzielle-hilfen/arbeitslosengeld-anspruch-hoehe-dauer
Haluk Aktas
am 28.04.2023Hallo,
meine Frage ist, wie lange kann man ALG bekommen, wenn man über 50 Jahre ist und nur in letzten 12 Monate angestellt war.
Vielen Dank.
Christian Schultz
am 28.04.2023Hallo Haluk, dazu haben wir hier einen eigenen Beitrag gemacht: https://www.sovd-sh.de/aktuelles/meldung/alg-i-wie-lange-bekomme-ich-da-eigentlich
Gabi Rawalski
am 07.02.2023Och bin kn der Privatinsolvenz. Meine Tochter wohnt nicht mehr bei mir. Sie erhält Kindergeld. Seit 1 Jahr ist sie ohne Einkommen da chronisch krank. Das Insolvenzgericht berücksichtigt sie bei der Berechnung meines Krankengeldes in der Pfändungstabelle,so dass ich deutlich mehr von meinem Gehalt behalten darf. Ich bin ihr gegenüber also unterhaltspflichtig. Jetzt läuft das Krankengeld aus. Ich habe ALG1 für mich beantragt und warte nun auf den Bescheid, wieviel ich erhalte. Muss die Arge meine Unterhaltsverpflichtung berücksichtigen? Welche Leistungen könnte ich noch beantragen? 60 Prozent des letzten Nettos reicht nicht aus,um meine Wohnung halten zu können. Wohngeld wurde im Dezember 2022 abgelehnt. Das Netto war zu hoch. Leider ist man dabei von meinem Netto ohne den Abzug durch die Pfändung an den Insolvenzverwalter ausgegangen.
Christian Schultz
am 08.02.2023Hallo Gabi, Sie sind ja nicht bei der "Arge" (Jobcenter), sondern bei der Arbeitsagentur. Wie das hier bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes I mit Unterhalt ist, weiß ich leider nicht aus dem Stehgreif. Aber Sie sollten sich ohnehin persönlich beraten lassen. Gerade wenn es darum geht, noch weitere Leistungen zu finden. Diese sind lokal manchmal unterschiedlich.
Helmut Kolz
am 08.05.2023Hallo Gabi,
Es tut mir in der Seele weh, auf diesem Weg mit ansehen zu müssen, wie schlecht es Dir geht!
Ich wünsche dir alles Gute
Helmut
Tom K.
am 05.02.2023Hallo,
ich frage mich gerade, was nun wirklich für die Bemessungsgrenze zählt? Jahreseinkommen oder monatliches Einkommen?
Ich habe im ersten Halbjahr 2022 6800,- Brutto verdient, im zweiten Halbjahr 10% mehr, also 7480. Macht in Summe 85680,-.
Mein Arbeitgeber kürzte in der Arbeitsbescheinigung das Einkommen auf 7050/Monat mit dem Argument, gedeckeltes Jahresbrutto von 84600,- (West) / 12 Monate = max. 7050 Bemessungsgrenze / Monat für 2022.
Ist das so korrekt? Damit würde mein anzurechnendes Jahresbrutto ja auf 6x6800,- EUR + 6x7050,- EUR = 83100,- EUR sinken. Also 1500,- unterhalb der jährlichen Bemessungsgrenze und somit weniger ALG I.
Danke für ihr Feedback.
Liebe Grüße, Tom.
Vielen
Christian Schultz
am 06.02.2023Hallo Tom, am Ende muss sich die Arbeitsagentur auf das verlassen, was in Ihren Lohnabrechnungen steht. Auf dieser Basis wird das ALG I berechnet. Ob die Abrechnung Ihres Arbeitgebers korrekt abgelaufen ist, können weder ich noch meine Kollegen beantworten - denn hier sind wir außerhalb des Sozialrechts.
Sven
am 30.10.2022Wie wäre es, wenn sie einfach aus München wegziehen aufs Land, wo es billig ist und dann einfach einsam in einer kleinen günstigen Wohnung wohnen man kann nicht alles haben im Leben
Frigij
am 27.07.2022Die Angaben können wohl nicht ganz stimmen.
Ich hatte während meiner Arbeitslosigkeit einen Tagessatz von 100,30€ (Stkl III mit Kind)
Christian Schultz
am 06.08.2022Die Angaben kommen direkt von der Bundesagentur für Arbeit.
Paul
am 28.01.2023Stimme dir zu mein AlG 1 liegt höher als der Deckel hier.
Elisabeth Strelow
am 25.01.2022Servus, ich hatte nach meinem 1. Arbeitsunfall mit Verletztengeld, einen erneuten Arbeitsvertrag begonnen. Nach erneutem Arbeitsunfall nach 3,5 Monate, wurde ich gekündigt und stellte mich nach 78Wo Verletzten-Krankengeld bei der Agentur für Arbeit vor. Mir wurde vom VDK und der Rentenversicherung mitgeteilt, dass es für mich finanziell besser sei als die Erwerbsminderungsrente zu beantragen, wenn ich mir einen erneuten Job zutraue mit 80% und Merkzeichen G und B. Natürlich hatte ich mit ALG 1 und zwar mit 60% gerechnet. doch man erklärte mir, da ich in den letzten 2 Jahren nur 3,5 Monate im Angestelltenverhältnis gewesen sei, würde ich eingruppiert und zwar in die Gruppe " nach Ausbildung". Ich bin Krankenschwester, 61-j, alleinlebend und komme mit diesem AGL1 soweit, dass ich damit gerade meine Wohnung in München bezahlen kann. Das hatte mir der VDK und auch meine KV nicht mitgeteilt. Die Zukunft macht mir sehr große Angst. Ich bewerbe mich jeden Tag. Doch mit meinen Defiziten bekomme ich nur Absagen. Ich bin dabei Mietzuschuss zu beantragen. Aufstockung über das Jobcenter erhalte ich nicht. Ich dachte immer, die KV würde gleichfalls in die AV zahlen oder dass es anerkannt wird. Doch so ist es überhaupt nicht, stelle ich fest.
Christian Schultz
am 26.01.2022Hallo Elisabeth, nach der Aussteuerung wird das ALG anhand der letzten 12 Monate berechnet. Kommen hier keine 150 Tage Arbeitsentgelt zustande, wird der Zeitraum auf 24 Monate ausgedehnt. Wenn dann immer noch nicht ausreichend Berechnungsgrundlage vorhanden ist, greift diese fiktive Berechnung. Davon schreiben Sie ja in Ihrem Kommentar. Es tut mir leid, dass Sie da falsch beraten worden sind.
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