Beginn EM-Rente selbst entscheiden?
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Wenn eine Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt wird, entscheidet die Deutsche Rentenversicherung (DRV) über deren Beginn. Zumindest in den allermeisten Fällen. In unserer Sozialberatung sprechen wir jedoch auch selten mit Mitgliedern, die über den Rentenbeginn mitentscheiden dürfen.
Doch die schwierigste Hürde auf dem Weg zur Erwerbsminderungsrente ist nicht deren Start. Denn nur wer weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann, hat überhaupt eine Chance auf diese "Frührente". Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Beruf Sie vorher tätig gewesen sind.
Wenn ein Lokführer noch als Bürohelfer arbeiten kann, wird er keine EM-Rente bekommen. Wenn der Dachdecker nicht mehr auf Dächer steigen kann, gibt es nicht automatisch eine Rente. Nein, die Chance auf EM-Rente besteht nur, wenn seine Leistungsfähigkeit in allen Jobs unter drei Stunden liegt.
Außerdem muss dieses schwere gesundheitliche Problem dauerhaft bestehen. Im Sozialrecht bedeutet das länger als sechs Monate.
Rentenrechtliche Kriterien
Neben den oben genannten gesundheitlichen Voraussetzungen müssen Sie außerdem die "versicherungsrechtlichen" Bedingungen für eine EM-Rente erfüllen. Bis auf wenige Ausnahmen - zum Beispiel für junge Leute - gilt dabei die 5-5-3-Regel. Fünf Jahre müssen Sie insgesamt Beiträge an die DRV gezahlt haben. Und in den letzten fünf Jahren sind noch einmal drei Jahre Pflichtbeiträge zu leisten. Daher die Abkürzung 5-5-3.
Hier sehen Sie bereits: Es ist unheimlich schwierig, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu bekommen. Selbst wenn Sie schwer krank sind und sogar einen Schwerbehindertenausweis haben, bedeutet das noch lange keinen Freifahrtschein in die EM-Rente.
Aber jetzt zur eigentlichen Frage dieses Beitrags: Zu welchem Zeitpunkt startet die EM-Rente? Und wer entscheidet darüber?
Beginn der Erwerbsminderungsrente
In vielen Fällen wird die EM-Rente rückwirkend zum Antragsdatum gezahlt. Manchmal ist auch ein früherer Reha-Antrag das rückwirkende Startdatum. Wichtig ist: Beginn der EM-Rente ist normalerweise der Beginn der Erwerbsminderung. Also der Tag, an dem Sie so krank waren, dass Sie weniger als drei Stunden arbeiten können.
Wann genau das war, ermittelt die Deutsche Rentenversicherung anhand älterer Arzt- und Reha-Berichte. Und daraus können wir ableiten: Die DRV entscheidet über das Startdatum Ihrer EM-Rente.
Zumindest meistens.
Manchmal haben Sie Mitspracherecht
Es ist nicht die Regel, aber es kommt vor. In einigen Fällen werden Patienten nach einem erfolgreichen Antrag zur Erwerbsminderungsrente schriftlich befragt, zu welchem Zeitpunkt die Rente beginnen soll. Die Frage lautet dann: Wann soll der offizielle Rentenbeginn sein? Zum Zeitpunkt des Rentenantrags? Oder bereits zum Zeitpunkt als ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe (Reha) gestellt wurde.
"In seltenen Fällen können Sie über den Beginn Ihrer EM-Rente mitentscheiden"
Christian Schultz, SoVD Schleswig-Holstein
Was für Sie persönlich besser ist, kann man nicht allgemein beantworten. Zwei Fragen sollten Sie sich stellen und im besten Fall mithilfe eines Experten beantworten:
1. Wenn ich den früheren Startpunkt nehme, bekomme ich eine größere Rückzahlung. Aber: Von welchen Leistungen habe ich in der Zwischenzeit meinen Lebensunterhalt bestritten? Von Kranken- oder Arbeitslosengeld? Dann wird von der Rückzahlung vielleicht nur wenig oder gar nichts übrig bleiben. Denn die Rückzahlung wird mit Ihrem damaligen Einkommen verrechnet.
2. Wäre Ihre Rente beim späteren Start deutlich höher? Höher wäre sie auf jeden Fall - Stichwort "Zurechnungszeit". Aber würde sich das mit Blick auf die mögliche Nachzahlung beim früheren Beginn stark bemerkbar machen?
Sie kommen also um einen Termin bei der DRV nicht herum. Denn nur hier kann man Ihnen ausrechnen, um wie viel höher die EM-Rente wäre, wenn der Start erst später festgesetzt wird. Auch die ungefähre Nachzahlung beim früheren Einstieg kann man Ihnen dort ausrechnen.
Und dann müssen Sie schauen: Welche Lösung bringt in Ihrem Fall mehr Geld?
Haben Sie die Altersrente im Blick
Bis zur Altersrente ist es nicht mehr lang? Dann kommt noch eine weitere Komponente ins Spiel, die Sie bedenken müssen. Erfolgt der Wechsel von der EM- in die Altersrente innerhalb von 24 Monaten, greift ein Bestandsschutz. Das bedeutet: Ihre Altersrente kann nicht niedriger sein als Ihre zuvor bezogene Erwerbsminderungsrente.
Daher ist es in vielen Fällen ratsam, den späteren Rentenbeginn zu wählen. Selbst wenn die Nachzahlung beim früheren Beginn auf den ersten Blick attraktiver erscheint. Denn wie wir bereits wissen, ist der spätere Beginn der EM-Rente mit einer dauerhaft höheren Zahlung verbunden. Und die nehmen Sie dann mit in die Altersrente.
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Kommentare (16)
Sabine Z
am 27.06.2024Hallo,ich bin seit dem 1.10 2018 voll Erwerbsgemindert berentet habe aber erst im Januar 2019 das erste mal eine Zahlung erhalten .
Diese Rente soll ja erhöht werde ,bekomme ich die Erhöhung oder da die Rente ja erst ab Januar 2019 gezahlt nicht .
Vielen Dank
Christian Schultz
am 27.06.2024Hallo Sabine, da bin ich mir gerade unsicher. Aber ich gebe davon aus, dass Sie die 4,5 Prozent Sondererhöhung erhalten - denn wenn die Rente im Jahr 2018 berechnet wurde, gelten noch die alten Zurechnungszeiten. Wenn Sie ganz sichergehen wollen, fragen Sie bitte direkt bei der DRV nach.
Schalthoefer-Biskoping ,Sabine
am 04.02.2024Guten Tag , besteht die Möglichkeit als Erzieherin mit Depressionen in der vollen ew -Rente , eine BG - Rent zu bekommen?!
Danke
Mit freundlichen Grüßen
Sabine
Christian Schultz
am 05.02.2024Hallo Sabine, eine BG-Rente gibt es nur, wenn Ihre Erkrankung nachweislich auf den ausgeübten Beruf zurückgeht. Wenn man das nachweisen kann, ist das sicherlich theoretisch möglich. Da sollten Sie sich aber individuell beraten lassen.
Falls Sie beide Rente erhalten, werden diese jedoch teilweise miteinander verrechnet.
Law
am 18.01.2024Hallo Herr Schultz,
könnten Sie mir sagen, ob das juristische Referendariat als Berufsausbildung i.S.d. EMR zählt?
Das wäre wichtig, wenn eine EM vor einer Beitragszeit von 5 Jahren eintritt.
Vielen Dank und freunliche Grüße
Christian Schultz
am 19.01.2024Hallo Law, wenn hier Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt worden sind, zählt das mit.
Law
am 19.01.2024Vielen Dank. Also es hat eine Nachversicherung stattgefunden, bei der nur die AG-Beiträge gezahlt wurden. Ändert dies etwas an der Bewertung. Die Frage ist relevant, weil die Erwerbsminderung vor einer Beitragszeit von 5 Jahren, aber weniger als 5 Jahre nach Beendigung des Refs eingetreten ist.
Ich hatte mich gefragt, ob es vielleicht deshalb nicht als "Berufsausbildung" zählt, weil ja davor das Studium erfolgte und dieses dann vielleicht als solche zählt. Das Referendariat ist allerdings zwingend erforderlich, um als "Volljurist" arbeiten zu können...
Christian Schultz
am 19.01.2024Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Fragen Sie am besten direkt bei der Deutschen Rentenversicherung nach. Oder bei meinen Kollegen in der SoVD-Sozialrechtsberatung.
Maria
am 04.12.2023Hallo Herr Schultz,
da es hier um den Beginn der EM-Rente geht habe ich einmal eine Frage die sich mir aufwirft. Seit 2005 erhalte ich bis dato eine unbefristete EM-Rente. Vorher war diese ohne Unterbrechungen 9 Jahre befristet (hieß damals noch EU-Rente). Die Sache geht als bis in die 90er Jahre zurück. In dem Sinne sollte die Rente ja dann auch da begonnen haben. Allerdings gab es diverse höchstrichterliche Urteile (u.a. BSG Urteil vom 24.10.1996 -4 RA 31/96), dass es sich bei zeitlich befristeten EM- Renten die in der Zeit von 1992 bis April 2007 verlängert wurden nicht um die bloße Verlängerung einer Rente handelte, sondern um die Bewilligung einer neuen Rente.
Nach einem weiteren Urteil aus 2005 hat die DRV dann auf Antrag die Renten neu berechnet, was dann bei zahlreichen Frührentnern zu deutlichen Erhöhungen der EM-Rente führte. Aus diesem Grund hatte der Gesetzgeber dann ja zum 01.05.2007 in der Neufassung des § 102 SGB VI klargestellt, dass bei der Weitergewährung einer Rente auf Zeit in unmittelbaren Anschluss an den Ablauf der vorherigen Frist nicht vom Eintritt eines neuen Leistungsfalles mit der Folge der Bestimmung eines neuen Rentenbeginns auszugehen ist, sondern dass es sich lediglich um eine Verlängerung des ursprünglichen Anspruchs handelt und daher beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt.
Folglich ist bei mir der Beginn der EM-Rente erst irgendwann im Jahr 2005 durch die Neuberechnungen die jeweils einen neuen Rentenbeginn verursachten. Und im jährlichen Bescheid den ich für das Finanzamt bekomme steht auch etwas mit 2005 als Rentenbeginn drin.
Und da wäre ich dann bei den Zurechnungszeiten. Bei einem Rentenbeginn 2005 würde es ja eine Erhöhung von 7,5% zum 01.07.2024 geben.
Wie sehen Sie das unter diesen Aspekten?
LG
Maria
Christian Schultz
am 04.12.2023Hallo Maria, ich bin kein Rechtsexperte und versuche hier nur, häufige Fragen aus dem Sozialrecht in möglichst einfachen Worten zu erklären. Daher weiß ich das nicht. Wenn in Ihren Bescheiden jedoch das Jahr 2005 als Beginn der EM-Rente steht, gehe ich davon aus, dass Sie die Extrazahlung in Höhe von 7,5 Prozent erhalten.
Monika Kleistner
am 04.12.2023Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich bin seit dem 7.10.2022 krank und habe im Juli 2023 eine Reha beantragt und mit dem Ergebnis, <als 3 Stunden arbeitsfähig pro Tag, absolviert . Ab dem 04.04.2024 werde ich von der Krankenkasse ausgesteuert
Muss ich schon ab Juli 2023 den Eu Antrag stellen?
Ich werde im Februar 63 Jahre und kann 08/2025 abschlagsfrei in die Rente gehen.
Kann ich den Antrag auf EU Rente auch ab dem 04.04.2024 stellen oder kann ich gezwungen werden dies eher zu tun ?
Christian Schultz
am 04.12.2023Hallo Monika, zur EM-Rente können Sie nur unter bestimmten Bedingungen gezwungen werden. Ob das bei Ihnen der Fall ist, müsste man sich im Detail anschauen - das können wir hier im Forum nicht auflösen.
Das Gleiche gilt für den besten Zeitpunkt bei der EM-Rente. Auch hier kann man keine allgemeine Antwort geben.
Gabi
am 03.12.2023Moin.
Seit 2019 erhalte ich eine unbefristete Teilerwerbsminderungsrente.
Wie wirkt sich in einem solchen Fall das Datum eines Antrags auf eine volle EM-Rente aus?
Mit herzlichem Dank
Gabi
Christian Schultz
am 04.12.2023Hallo Gabi, ich verstehe Ihre Frage nicht: Die Entscheidung, ob Sie eine volle EM-Rente bekommen, hängt nicht vom Datum ab. Sondern allein von Ihrem "Restleistungsvermögen". Also der Frage, ob Sie mehr oder weniger als drei Stunden am Tag einsatzfähig sind.
Gabi
am 04.12.2023Sorry, mir geht es nicht um "ob" volle EM-Rente, sondern wieweit ich hier auch eine Entscheidungsmöglichkeit bzgl des Starttermins und evtl. Nachzahlungen hätte, bzgnehmend auf den Absatzes "Beginn der Erwerbsminderungsrente" oder ob hier der Beginn der Teil-EM-Rente immer bestehen bleibt.
Christian Schultz
am 04.12.2023Die Möglichkeit zur Mitsprache ist ziemlich selten. Und ich verstehe die Kriterien, nach denen die DRV das organisiert, auch nicht immer. Also eher nicht.
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