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Bürger- und Erwerbstätigenversicherung – was soll das überhaupt?

Pflege Armut Gesundheit

Insbesondere in Jahren, in denen ein neuer Bundestag gewählt wird, kocht die alte Debatte wieder hoch. Es geht um die mögliche Einführung einer Bürger- bzw. Erwerbstätigenversicherung. Doch viele Menschen wissen mit diesen Begriffen nur wenig anzufangen. Bei einigen schwingen sogar Ängste mit, möglicherweise etwas zu verlieren. Für andere bedeutet die Bürgerversicherung das Allheilmittel für den deutschen Sozialstaat.

Bürger- und Erwerbstätigenversicherung - was soll das überhaupt

In diesem Beitrag möchten wir die wichtigsten Fakten zur Bürger- bzw. Erwerbstätigenversicherung knapp und verständlich zusammenfassen.

Bürgerversicherung oder Erwerbstätigenversicherung? Wie heißt es denn nun richtig?

In der politischen Debatte werden beide Begriffe verwendet. Das ist auch richtig – denn beide Wörter verweisen auf ähnliche, aber trotzdem unterschiedliche Ideen: Während die Bürgerversicherung in der Regel die Kranken- und Pflegeversicherung betrifft, steht die Erwerbstätigenversicherung für den großen Bereich der Altersvorsorge.

Und doch haben beide Begriffe eine wichtige Gemeinsamkeit. Das Konzept sieht jeweils vor, dass alle Menschen in Deutschland innerhalb des gleichen Systems versichert sind.

Zurzeit beobachten wir im medizinischen Bereich eine Zweiteilung: Während eine relativ kleine Gruppe aller Deutschen privat versichert ist, ist der überwiegende Teil Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse. Ein echtes Wahlrecht besteht allerdings nicht. Ob Sie sich privat versichern können, hängt von Ihrem beruflichen Status ab. Wer selbstständig ist oder als Angestellter überdurchschnittlich verdient, kann sich ein System aussuchen. Fast alle Beamten werden zum großen Teil über die Beihilfe abgesichert, für die restlichen Kosten muss man sich privat versichern. Der große Rest der Bevölkerung findet sich in der gesetzlichen Krankenkasse wieder.

Im Bereich der Alterssicherung ist es ähnlich. Nur als Selbstständiger können Sie sich unter bestimmten Voraussetzungen von der Beitragspflicht befreien lassen. Ansonsten sind Sie pflichtversichert und stottern zusammen mit dem Arbeitgeber brav Ihre Beiträge ab, um irgendwann eine Altersrente zu beziehen. Für Beamte sorgt nach der Pensionierung der Staat – und zwar mit im Vergleich zur gesetzlichen Rente überaus üppigen Bezügen. Im Jahr 2019 betrug die Differenz zwischen der durchschnittlichen Pension und einer Rente mehr als 1000 Euro. Pro Monat.

Aber nicht nur Staatsdiener kochen in der Altersvorsorge ihr eigenes Süppchen. Auch bestimmte Berufsgruppen entziehen sich mit der Gründung eigener Versorgungswerke dem solidarischen Gedanken in der Rentenversicherung – allen voran die Ärzteschaft.

Mit Erwerbstätigen- und Bürgerversicherung sollen diese Strukturen überwunden werden. Die einfache Idee hinter der Erwerbstätigenversicherung: Alle Menschen, die einem Beruf nachgehen – ob angestellt, selbstständig oder verbeamtet – zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Alle erhalten am Ende ihres Berufslebens eine Rente nach gleichen Voraussetzungen. Wer mehr verdient hat, bekommt auch mehr Rente. Selbstverständlich wird es weiterhin möglich sein, darüber hinaus privat vorzusorgen.

Analog dazu sieht das Modell der Bürgerversicherung vor, die Zweiklassengesellschaft beim Arzt oder im Krankenhaus zu beenden. Für die ärztliche Vergütung soll es keine Rolle mehr spielen, ob ein Patient privat oder gesetzlich versichert ist. Alle Bürgerinnen und Bürger zahlen ihre Beiträge für eine Versicherung. Wer mehr will, kann sich gern eine private Zusatzversicherung gönnen.

Warum der Sozialverband sowohl Erwerbstätigen- als auch Bürgerversicherung unterstützt

Der SoVD fordert schon seit vielen Jahren einen Systemwechsel in der Sozialversicherung. Alfred Bornhalm, Landesvorsitzender des SoVD in Schleswig-Holstein, sagt: „Das Nebeneinander der unterschiedlichen Systeme bei Rente und Pension ist nicht mehr zu vermitteln. Während bei der gesetzlichen Rente immer wieder alternativlose Einschnitte angemahnt werden, steigen die Pensionen ungebremst. Die Kluft zwischen beiden Versorgungssystemen wird immer größer, das kann man den Menschen doch nicht mehr erklären.“

Verlieren Beamte oder Freiberufler ihre Privilegien?

Wer ernsthaft über die Einführung einer Bürger- oder Erwerbstätigenversicherung diskutiert, muss eines ganz klar machen: Niemandem wird etwas weggenommen. Dazu Alfred Bornhalm: „Selbstverständlich gelten in Deutschland Gesetze und Arbeitsverträge. So sehr wir uns als Verband die Einführung der Erwerbstätigenversicherung wünschen – es wird nur mit Regelungen für die Zukunft gehen. Wer heute eine Pension erwartet, wird diese auch bekommen. Aber wir müssen an das System ran, um es für zukünftige Generationen gerechter zu machen!“

Der Sozialverband Deutschland hilft in sozialen Angelegenheiten. Wir vertreten unsere Mitglieder bis zum Sozialgericht, unter anderem bei Auseinandersetzungen mit Krankenkasse oder Rentenversicherung.

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Kommentare (2)

  • user
    Gottfried Limbach
    am 06.08.2023

    Hier wird nicht berücksichtigt, dass

    a) Angestellte in gleichen Positionen wie Beamte deutlich mehr brutto erhalten (eigenes Erleben), damit die gesetzlichen Abzüge getragen werden können.

    b) Beamte zahlen ihre Kranken- und Pflegeversicherung von netto, nicht wie Rentner von brutto.

    Das 2-Klassen-System beim Arzt halte ich jedoch für antiquiert.

    Ich bin Beamter, habe aber die Wahlleistungen bei der Krankenversicherung ausgenommen und werde trotzdem (i.d.Regel !) annehmbar behandelt.

    Meine Beiträge zur (priv.) Krankenversicherung bleiben eine Zeit lang konstant, steigen dann aber plötzlich viel rasanter als die gesetzliche Krankenversicherung.

    Gut finde ich, dass ich via Rechnung sehe, was meine Arztbesuche kosten. Schlecht ist, dass ich die Kosten vorlegen muss und nie weiß, ob ich diese Kosten ersetzt bekomme,

    da der Arztvertrag mit mir und nicht mit der Versicherung geschlossen wird.

  • user
    Hans-Peter Moser
    am 03.02.2022

    Ich bin ein absoluter Verfechter der Bürgerversicherung. Eine Krankenkasse für alle bei Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze und Anrechnung aller Einkommensarten gemäß dem Einnkommensteuerrecht, eine Rentenversicherung für alle, ohne Ausnahmen. Wir brauchen ein solidarisches Sozial-System. Eine Verkäuferin oder Reinigungskraft, welche mindestens genauso wichtig und systemrelevant ist wie ein Beamter, muss nach 40 oder 45 Jahren Arbeit auch von ihrer Rente leben können, bekommt aktuell aber nur ca. 48% ihres letzen Nettoeinkommens (unter 800 € Rente), obwohl sie die ganze Zeit in die Rentenversicherung eingezahlt hat, ein Beamter hingegen ca. 72%, obwohl er nie in eine Kasse eingezahlt hat. Das geht gar nicht und ist aus meiner Sicht auch verfassungswidrig.

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