Einen ganz besonderen Ortsverband gibt es in Aventoft an der dänischen Grenze. 460 Einwohner hat die Gemeinde, davon sind zurzeit 414 Mitglied im Sozialverband. Doch das war nicht immer so. Wir haben mit Hans-Werner Christiansen, Vorsitzender des SoVD in Aventoft seit 1998, gesprochen.
Hallo Herr Christiansen! Kann man genetisch erklären, warum sich jemand ehrenamtlich einsetzt?
Genetisch vielleicht nicht. Aber für mich war es schon immer selbstverständlich, dass ich mich in meinem Umfeld engagiere. Ich war 16, als ich in die Freiwillige Feuerwehr hier im Ort eingetreten bin – insgesamt habe ich das 50 Jahre gemacht, mein ganzes Berufsleben. Hier auf dem Land ist das aber ganz normal, das gehört zum Dorfleben dazu. Ehrenamt schafft Zusammenhalt.
Und wie sind Sie zum Sozialverband gekommen?
Als ich ein junger Mann war, ist mein Bruder schwer erkrankt. Zu den gesundheitlichen Problemen kamen schnell auch finanzielle Sorgen dazu, weil er bald nicht mehr arbeiten konnte. Weder die landwirtschaftliche Alterskasse noch die gesetzliche Rentenversicherung wollten zahlen, also musste mein Bruder am Sozialgericht um seine Ansprüche kämpfen. Leider ist er erst später in den SoVD eingetreten, den Prozess hat ein Anwalt für ihn geführt, der vom Sozialrecht keine Ahnung hatte.
Damals habe ich angefangen, mich mit diesen Themen zu beschäftigen. Es ist wichtig, dass es Organisationen gibt, die den Menschen helfen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Das sind vor allem diejenigen, die schwer erkranken und auf Hilfe angewiesen sind. Bei der Berufsgenossenschaft oder Schwierigkeiten mit der Krankenkasse.
Ich bin einige Jahre nach meinem Bruder in den Sozialverband eingetreten, das war im Sommer 1990. Selbst im Ehrenamt aktiv geworden bin ich hier aber erst etwas später. 1992 wurde ein Revisor gesucht. Da ich Bankkaufmann war, ist man auf mich zugekommen, und natürlich habe ich gern geholfen. Das war damals eine andere Zeit. Zu dem Zeitpunkt, als ich als Kassenprüfer begonnen habe, setzte sich der Ortsverband bei uns vor allem aus älteren Leuten zusammen. Sechs Jahre später wurde deswegen ein neuer Vorsitzender gesucht – wir hatten damals gerade einmal 35 Mitglieder. Da habe ich den Ortsverband erst einmal übernommen. Dass daraus mehr als 22 Jahre werden sollten, habe ich damals natürlich nicht gedacht.
Warum sind Sie denn so lange beim SoVD geblieben?
Wie schon gesagt: Ich habe bei meinem Bruder mit eigenen Augen gesehen, wie schwer es einen Menschen treffen kann. Wer dann ohne Hilfe ist, kommt im Sozialstaat schnell unter die Räder. Deswegen finde ich es so gut, was der Sozialverband macht. Wir helfen denjenigen, die sich nicht selbst helfen können.
Aber das ist nicht alles. Als ich den Vorsitz übernommen habe, hatte ich schon ein paar Ideen, wie man den Verein hier in Aventoft nach vorn bringen kann. Schon im nächsten Jahr gab es vor dem Brandenburger Tor in Berlin eine große Demo für die Sicherung der Renten – da sind wir auch dabei gewesen. Und wir haben hier im Dorf dafür gesorgt, dass etwas passiert. Seit 20 Jahren veranstalten wir zum Beispiel eine große Radtour für Jung und Alt. Anschließend wird gegrillt, jedes Jahr. Es gibt Fahrrad-Ringstechen, verschiedene Feste und Reisen. Für die Kinder organisieren wir seit 2003 eine Faschingsfeier. Die Menschen hier im Ort wissen das zu schätzen, und deswegen haben wir so einen starken Zulauf.
Ist das nicht anstrengend? So ein Ehrenamt kostet doch viel Zeit.
Na klar, aber es macht mir viel Freude. Sonst hätte ich schon lange aufgehört! Vor einigen Jahren gab es tatsächlich mal eine Zeit, in der es mir persönlich ein bisschen zu viel wurde. Der Ortsverband wuchs und wuchs, es gab immer mehr Termine, und ich habe sehr viel allein gemacht. Aber ab einem bestimmten Punkt ging das einfach nicht mehr. Da habe ich mich mit dem kompletten Vorstand zusammengesetzt und die Aufgaben hier im Verband verteilt. Geschenke einkaufen, Jubilare besuchen, Veranstaltungen organisieren. Mittlerweile sind alle Arbeiten gut verteilt, und seitdem läuft das wunderbar.
Wir bekommen vom Kreisverband in Husum erstklassige Unterstützung. Ob das neue Informationen sind oder die Beratung unserer Mitglieder, die Zusammenarbeit ist einfach klasse. Auch mit dem Landesverband in Kiel – nur manchmal würde ich mir wünschen, dass die Vorschläge der Ortsverbände schneller aufgegriffen werden.
Gibt es denn eine Art Lohn im Ehrenamt?
Die Highlights unserer Arbeit sind tatsächlich die Reaktionen unserer Mitglieder. Wenn es uns gelingt, eine Rente gegen viele Widerstände durchzubringen, ist das immer ein gutes Gefühl. Aber auch die kleinen Dinge hier vor Ort sind Lohn genug. Zum Beispiel die lachenden Gesichter der Kinder, wenn wir hier in Aventoft gemeinsam Fasching feiern.
Dann muss der „Lockdown“ wegen Corona ja eine ziemlich schwere Zeit für Ihr Vereinsleben bedeutet haben, oder?
Wir konnten natürlich keine Veranstaltungen mehr machen. Aber hier auf dem Dorf hat es für das tägliche Leben kaum Einschnitte gegeben. Die Leute kennen sich und begegnen sich im Alltag ohnehin. Klar wurde im Frühjahr wie überall mehr auf den Abstand geachtet. Aber im Gegensatz zur Großstand musste hier in Aventoft niemand vereinsamen.
Sie sind jetzt 30 Jahre Mitglied im Sozialverband, davon 22 Jahre Vorsitzender Ihres Ortsvereins. Wie lange wollen Sie noch weitermachen?
In anderthalb Jahren ist Schluss mit dem Vorsitz, ich habe bereits eine Nachfolgerin gefunden. Aber natürlich bleibe ich weiter ehrenamtlich aktiv, eben nur nicht mehr als Vorsitzender.
Ehrenamtlich arbeiten wäre auch für Sie ein Thema? Dann melden Sie sich bei:
Christian Schultz
Referent für Sozialpolitik
Telefon: 0431 / 98 388 – 70
Mail: sozialpolitik(at)sovd-sh.de
Sie wollen regelmäßig über neue Beiträge in unserem Blog informiert werden? Melden Sie sich einfach zu unserem Newsletter per E-Mail an!
Kommentare (0)
Sei der erste der kommentiert
Neuen Kommentar schreiben