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Engelen-Kefer: „Darum reichen die Vorschläge der GroKo gegen Altersarmut nicht aus!“

Rente Armut

Altersarmut wird nicht nur im Bund, sondern auch in Schleswig Holstein zu einem Massenphänomen, wenn nicht wirksam gegengesteuert wird. Besonders stark sind Frauen von Armut im Alter betroffen. Dabei besteht ein enger Zusammenhang zwischen der drastischen Ausweitung von prekärer Beschäftigung, Niedriglöhnen und Arbeitslosigkeit sowie Armut im Alter. Wir haben als SoVD zu unserem 100. Jubiläum eine Kampagne gestartet, „Lieber Nicht arm dran.“ Daran beteiligen wir uns auch als Landesverband Schleswig Holstein mit vielfältigen Aktionen.

Gesetzliche Rente muss Lebensstandard sichern

Vorrangig  ist für uns als SoVD, gegen den willkürlich herbeigeführten Generationenkonflikt anzugehen. Altere und Jüngere dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sowohl die Älteren als auch die Jüngeren haben einen grundgesetzlich geschützten Anspruch auf ihre durch Pflichtbeiträge erworbenen Altersrenten. Aufgedeckt und behoben werden müssen vielmehr die Konfliktlinien in der ungerechten Verteilung von Einkommen, Vermögen, Kapitalerträgen, Bildungs- und Arbeitschancen. Dies erfordert eine gerechte Steuer- und Gesellschaftspolitik. Jüngste Umfragen machen deutlich, dass gerade jüngere Arbeitnehmer bereit sind, eine moderate Beitragserhöhung zu akzeptieren, wenn dafür die Rentenleistungen verbessert werden. 

Kernforderung unserer Kampagne zur Bekämpfung der Altersarmut ist: Die über Beiträge erworbene gesetzliche Altersrente muss wieder den maßgeblichen Anteil des Lebensstandards auch im Alter gewährleisten (Einsäulenmodell). Die unsoziale Verknüpfung mit der privaten Riesterrente auf Kosten allein der Arbeitnehmer (Mehrsäulenmodell) muss aufgehoben werden. Dazu sind die drastischen Kürzungen des Rentenniveaus umgehend zu stoppen und stufenweise wieder rückgängig zu machen.

Erforderlich ist die Wiederherstellung des Rentenniveaus von 54 Prozent wie vor den Riester-Reformen 2001. Gleichzeitig muss die gesetzliche Deckelung der Beiträge aufgehoben und damit die Arbeitgeber wieder paritätisch an der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung beteiligt werden. Zu einer sozial gerechten Finanzierung ist die  Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung unverzichtbar. Armutsrenten infolge langjähriger Niedriglöhne sind aufzustocken, indem Freibeträge bei der Anrechnung der selbst erworbenen Rentenansprüche auf die Grundsicherung von etwa 20 Prozent gewährt werden.

SPD und Union müssen mehr liefern als ein „potemkinsches Dorf“

Die Sondierungsergebnisse für eine mögliche Neuauflage der GroKo sehen die bekannten Forderungen der SPD vor, das Rentenniveau nicht weiter unter die derzeitigen 48 Prozent bis 2025 absinken zu lassen. Damit kann die drohende Altersarmut zwar gemildert, aber keinesfalls behoben werden, zumal sich der Abfall im Rentenniveau danach deutlich verschärfen wird. Die bereits in den letzten Koalitionsvereinbarungen zugesagte armutsfeste Lebensleistungsrente soll eingeführt werden. Allerdings bleiben die Voraussetzungen mit 35 Beitragsjahren zu hoch gesteckt. Diejenigen, die sie am meisten brauchen, vor allem Frauen, werden sie daher oft gar nicht in Anspruch nehmen können. Nur noch als „potemkinsches Dorf“ ist eine derartige Rentenreform zu vermitteln, wenn gleichzeitig das „Dreisäulenmodell“ auch für die Zukunft propagiert wird.

Das noch kurz vor den Bundestagswahlen von der SPD eingebrachte und in der GroKo verabschiedete Betriebsrentenstärkungsgesetz ist bereits der falsche Weg. Damit wird die steuerliche Förderung der kapitalgedeckten Zusatzrenten weiter erhöht, um auch mittlere und kleinere Betriebe sowie Geringverdiener zu gewinnen. Hiermit werden die ungerechte Verteilung bei der tariflichen und betrieblichen Alterssicherung fortgesetzt und entsprechend die gesetzlichen Altersrenten weiter eingeschränkt. Darüber hinaus werden die Arbeitgeber aus der Haftung für die zusätzlichen Alterssicherungsleistungen trotz ihrer öffentlichen Förderung entlassen und somit das finanzielle Risiko noch weiter auf die Beschäftigten übertragen.

Der Arbeitsmarkt erfordert soziale Regulierung

Dringend erforderlich ist die Rücknahme der Deregulierung von Arbeits- und Sozialrecht, vor allem die wirksame Bekämpfung des Missbrauchs bei Leiharbeit, Werkverträgen und befristeter Beschäftigung. Die auf über sieben Millionen explodierte Zahl an Minijobs, davon zwei Drittel für Frauen, als größte Falle von Armut bei Arbeit und im Alter sind durch arbeits- und sozialrechtlich abgesicherte Arbeitsplätze in Teil- und Vollzeit zu ersetzen.

Um die Abhängigkeit von der Grundsicherung im Alter zu verhindern, ist der gesetzliche Mindestlohn auf 11,80 Euro heraufzusetzen. Dies muss stufenweise von dem derzeitigen Niveau des Mindestlohnes von 8,84 Euro erfolgen. Dabei müssen an Stelle der bisher vorgesehenen zweijährigen Anpassungen jährliche Erhöhungen installiert werden. Die ungerechten Ausnahmen für Langzeitarbeitslose und Jugendliche sind abzuschaffen. An Stelle eines bedingungslosen Grundeinkommens sind Erhalt und Verbesserung der solidarischen Sozialversicherung sowie sonstiger Sozialleistungen erforderlich. Dies gilt vor allem für Hartz-IV-Leistungen sowie die Grundsicherung im Alter.

Gegenüber einem möglichen Jamaika-Bündnis können die arbeitsmarktpolitischen Vorschläge in den Sondierungsvereinbarungen aufatmen lassen. Die vorgesehene Verringerung der Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit soll mit 0,3 Prozent glimpflicher ausfallen als zu befürchten. Allerdings wäre es am sinnvollsten, wenn diese Mittel ebenso wie die übrige ansehnliche Rücklage bei der BA für konjunkturell schlechtere Zeiten und die Verbesserung der beruflichen Qualifizierung sowie der Berufs- und Arbeitsberatung eingesetzt würden. Die Bekämpfung der nach wie vor hohen Langzeitarbeitslosigkeit – ebenfalls wichtige Zielsetzung der Sondierer – erfordert vor allem mehr Finanzen und qualifizierte Beschäftigte.

Ob dies mit den vorgesehenen zusätzlichen Mitteln für die arbeitsmarktpolitischen Eingliederungsmaßnahmen in den Jobcentern einschließlich der Flüchtlinge von einer Milliarde Euro im Jahr bewältigt werden kann, bleibt abzuwarten. Die Ausweitung der befristeten Beschäftigung sowie der fortdauernde Skandal von 7,4 Millionen Minijobs werden wieder einmal ignoriert.

*Ursula Engelen-Kefer ist promovierte Volkswirtin. In ihrer langen Karriere war sie unter anderem Vizepräsidentin der Bundesanstalt für Arbeit und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Heute ist sie Honorarprofessorin an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit. Seit 2009 leitet sie den Arbeitskreis Sozialversicherung im SoVD-Bundesverband und ist seit 2015 Mitglied des Bundesvorstands im SoVD.

Der Sozialverband Schleswig-Holstein hilft in sozialen Fragen. Wir vertreten unsere Mitglieder bis zum Sozialgericht, zum Beispiel bei Problemen mit der Erwerbsminderungsrente oder der Grundsicherung im Alter.

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Kommentare (1)

  • user
    Jeanne Teske
    am 28.01.2018

    Ich kann nur staunen mit welcher Selbstverständlichkeit heute hohe Forderungen an den Staat gestellt werden. Für uns, im arbeitsfähigen Alter war es immer klar dass man von der staatlichen Rente nicht leben kann, deshalb haben wir diee Ärmel hochgekrempelt und 45 Std. i.d.Woche gearbeitet und uns ein gutes Leben aufgebaut, was in den Jahren 1955 bis 1985 noch möglich war zumal anständige Gehälter gezahlt wurden u. es gab auch vom Staat geförderte Sparmodelle die sehr gut und hilfreich waren, leider können die Menschen von den heutigen Gehältern, zumal bei den hohen Mieten, kein Vermögen mehr aufbauen. Allerdings hatt man uns dann um unser Erspartes i.J 2009 betrogen,weil unsere Banken nicht in der Lage waren ihre Aktienaufkäufe richtig einzuschätzen - oder war es gar wissentlich? Ja und an Urlaub konnten wir in unserer Aufbauphase auch nicht denken, ja, alles zu seiner Zeit- nur Mut und auf sich selbst verlassen, dann klappt es besser und man fühlt sich unanhängig, ein gutes Gefühl.

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