Unterhaltsrückgriff künftig deutlich beschränkt
Leistungen der Sozialhilfe erhalten Menschen nur, wenn sie finanziell bedürftig sind. Grundsätzlich schulden Eltern und Kinder einander Unterhalt. Es kommt in der Praxis oft vor, dass das Sozialamt erst ein-mal Sozialleistungen für bedürftige Eltern – anstelle der Kinder – „vorstreckt“, um zum Beispiel Pflegebedürftige schnell im Pflege-heim unterzubringen. Diese Ausgaben darf die Behörde später von den unterhaltsver-pflichteten Angehörigen zurückfordern. Der Unterhaltsrückgriff des Sozialamtes ist nach oben hin prinzipiell nicht begrenzt.
Mit dem neuen Gesetz darf das Sozialamt aber erst ab einem Bruttojahreseinkommen von über 100.000 Euro auf Kinder oder Eltern zurückgreifen.
Diese Regelung galt bis Ende 2019 nur für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Zum 1. Januar 2020 wird sie auf alle Sozialhilfeleistungen des SGB XII ausgeweitet, also auch auf die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Hilfe zur Pflege. Die Entlastung gilt im Eltern-Kind-Verhältnis, jedoch nicht für Ehepartner*-innen.
Enkel*innen sind grundsätzlich zum Unterhalt gegenüber ihren Großeltern verpflichtet. Das Sozialamt darf sie jedoch nicht heranziehen, wenn die Großeltern Sozialhilfeleistungen beziehen.
Grundsätzlich muss das Amt davon ausgehen, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Person die Einkommensgren-ze nicht überschreitet. Die Behörde kann aber, um die Vermutung zu widerlegen, von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommens-verhältnisse der Unterhaltspflichtigen zulassen.
Wenn die 100.000-Euro-Grenze überschritten ist …
Der Unterhalt, den ein Kind oder Elternteil für bedürftige Angehörige ans Sozialamt zahlen muss, bemisst sich danach, was verbleiben muss, um den eigenen Unterhalt und den der Familie zu sichern. Das ist trotz eines Bruttojahreseinkommens von über 100.000 Euro zum Beispiel dann relevant, wenn noch weitere Unterhaltspflichten bestehen – etwa gegenüber eigenen Kindern. Angehörige von Leistungsbeziehenden des SGB XII müssen ihr Einkommen deshalb nur nach Abzug eines Selbstbehaltes einsetzen.
Als Selbstbehalt steht Unterhaltspflichtigen monatlich ein Betrag von 1.800 Euro als bereinigtes Nettoeinkommen zuzüglich 50 Prozent des Einkommens, das diesen Betrag übersteigt, zu. Sofern das unterhaltspflichtige Kind verheiratet ist, bleibt den Eheleuten pauschal derzeit 3.240 Euro (1.800 Euro + 1.440 Euro) als Selbstbehalt. Eine Pauschale für Warmmiete ist in den Berechnungen schon inbegriffen. Wenn Kinder vorhanden sind, zieht das Sozialamt bei der Ermittlung des Elternunterhaltes die Unterhaltsansprüche der Kinder ab.
Die genauen Berechnungsschritte, auch bezüglich vorhandenen Vermögens, können Interessierte in der SoVD-Broschüre „Grundsicherung – Ihr gutes Recht“ unter sovd.de nachvollziehen.
Wer profitiert noch?
Die Begrenzung des Unterhaltsrückgriffs gilt künftig auch im Sozialen Entschädigungs-recht. Zudem wird zum 1. Januar 2020 auch in der Eingliederungshilfe der Beitrag voll-ständig gestrichen, den Eltern bisher zu den Eingliederungshilfeleistungen ihrer volljährigen Kinder (zum Beispiel für Assistenzleistungen) zuzahlen mussten.
Das Angehörigen-Entlastungsgesetz sichert auch die Ergänzende Unabhängige Teilhab-eberatung (EUTB) finanziell ab. Die Beratungsstellen können ihre Arbeit also fortsetzen und Menschen mit Behinderung dauerhaft unterstützen.
Außerdem wird ein Budget für Ausbildung eingeführt. Es soll Alternativen zu den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) eröffnen, indem es die Chancen für Menschen mit Behinderungen verbessert, eine berufliche Ausbildung auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu absolvieren. Darüber hinaus stellt das Gesetz klar, dass Menschen mit Behinderungen auch im Eingangs- und im Berufsbildungsbereich der WfbM Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beanspruchen können.
Was sagt der SoVD?
Der SoVD begrüßt das Angehörigen-Entlastungsgesetz ausdrücklich. Es entlas-tet Betroffene in einer emotional schwierigen Situation zumindest von finanziellen Sorgen. Die SoVD-Stellungnahme vom 4. Juli 2019 zum Gesetz ist abrufbar unter sovd.de.
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