Um die gesetzliche Rente abzusichern, will die Bundesregierung künftig ergänzend auf den Kapitalmarkt setzen. Entsprechende Pläne stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Januar vor. Konkret geht es um das sogenannte „Generationenkapital“ als Teil des mit Spannung erwarteten zweiten Rentenpakets. Die geplanten Aktienrücklagen im dreistelligen Milliardenbereich stoßen allerdings nicht nur auf Zustimmung.
Bis heute funktioniert unser Rentensystem über ein Umlageverfahren. Das bedeutet: Die laufenden Rentenzahlungen werden überwiegend durch Rentenversicherungsbeiträge erwerbstätiger Menschen finanziert. Die aktuell Beitragszahlenden erwerben damit gleichzeitig Ansprüche auf ihre eigene spätere Alterssicherung, die wiederum in Teilen durch die nachfolgende Generation finanziert wird. Das System wird deshalb auch Generationenvertrag genannt. Es ist nach Auffassung des SoVD im Grundsatz ein solidarisches, sicheres und zuverlässiges Prinzip.
Mehr Rentenbeziehende als Beitragszahlende
Weil die allgemeine Lebenserwartung gestiegen ist und weniger Kinder geboren werden als früher, ist in den letzten Jahren ein Ungleichgewicht entstanden: Es gibt immer weniger Beitragszahlende und mehr Menschen, die Alterseinkünfte beziehen. Die Tendenz wird noch zunehmen, wenn die zwischen 1955 und 1969 Geborenen – auch Babyboomer genannt – vermehrt in den Ruhestand gehen.
Schon jetzt belaufen sich die über Versicherungsbeiträge und Steuern finanzierten Rentenzahlungen in Deutschland jedes Jahr auf 300 bis 400 Milliarden Euro. Allein im vergangenen Jahr musste der Bund dabei 100 Milliarden Euro zuschießen.
Rentenkürzungen und die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters könnten mögliche Folgen dieser Entwicklung sein. Doch genau das soll nicht passieren. So wurde es auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben.
Denn erstens sollen Erwerbstätige, die ihr Leben lang gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben, von ihren Altersbezügen auskömmlich leben können. Und zweitens können die meisten Menschen ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen gar nicht länger als bis zum jetzigen Renteneintrittsalter ausüben. Das Rentenalter heraufzusetzen, käme deshalb für viele einer Rentenkürzung gleich. Für den Weg aus der angespannten Situation gibt es unterschiedliche, zum Teil auch kontroverse Lösungsansätze und -ideen.
Aktienrücklagen sollen als Kapitalstock helfen
Finanzminister Christian Lindner ist überzeugt, dass Aktienrücklagen als Kapitalstock helfen könnten, das im Koalitionsvertrag getroffene Versprechen einzuhalten und das Rentenniveau inklusive Beitragssatz zu stabilisieren.
Der Plan, den er jetzt der Öffentlichkeit vorstellte, ist ein Projekt auf lange Sicht. Demnach will der Staat in den kommenden Jahren aus öffentlichen Mitteln zunächst einen dreistelligen Milliardenfonds aufbauen. Die Rede ist von jährlich zehn Milliarden Euro über einen Zeitraum von 15 Jahren. Das angesammelte Geld wird eine öffentlich-rechtliche Stiftung am Kapitalmarkt anlegen. Erträge aus den Investitionen sollen dann in den späten 2030er-Jahren das System der gesetzlichen Rente unterstützen.
Schon im Wahlkampf vor der Bundestagswahl hatte die FDP 2021 für eine „Aktienrente“ geworben; damals sollte ein Teil der Rentenbeiträge direkt in einen Fonds fließen. Nach starker Kritik ist dieses Konzept vom Tisch. Beim „Generationenkapital“ soll das Geld nun aus Darlehen kommen.
Lindner betonte bei der Vorstellung seines Modells ausdrücklich, dass der Fonds die umlagefinanzierte gesetzliche Rente nur ergänzen, nicht aber ersetzen solle. Eventuelle Verluste trage dabei der Bund, so der Bundesminister.
Wandel macht auch vor den Aktienmärkten nicht Halt
Der SoVD bleibt skeptisch. Auf den Aktienmärkten ist keine gute Rentenpolitik zu machen. Davon ist SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier überzeugt. Sie wurde in den Medien vielfach zitiert, als sie sagte: „Die Menschen brauchen für ihre Altersvorsorge Sicherheit. Was passiert, wenn die Renditeerwartungen nicht erfüllt werden?“ Es sei bezeichnend, dass ein Scheitern mitbedacht worden sei.
Denn wer die Folgen des demografischen Wandels über Aktienrücklagen schmälern wolle, müsse einkalkulieren, dass die Veränderungen auch auf den Märkten spürbar sein werden. Nämlich dann, wenn immer weniger Menschen Geld anlegen und gleichzeitig mehr Menschen ihre Lebensversicherungen und Riester-Renten ausbezahlt haben möchten. „Hierauf fehlt bislang eine Antwort von der Politik“, kritisierte die SoVD-Vorstandsvorsitzende.
Geliehenes Geld anzulegen, birgt hohe Risiken
Mehr noch: Während bei der Umlagefinanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung das Geld im Umlauf bleibt, birgt der Plan, geliehenes Geld – der aufzubauende milliardenschwere Fonds besteht schließlich aus nichts anderem als Schulden – an den Kapitalmärkten anzulegen, hohe Risiken.
Zumal die jahrzehntelange Niedrigzinsphase und die Häufung internationaler Krisen zu sinkenden und stark schwankenden Kursen an den Aktienmärkten geführt haben. Einer Privatperson, die sich in einer ähnlichen misslichen finanziellen Ausgangslage befindet, würde man von einem solchen Vorhaben wohl abraten.
Rentenversicherung besser direkt stärken
Angesichts der bestehenden Risiken ist es für den SoVD von entscheidender Bedeutung, dass auch zukünftig für Aktienrücklagen keine Beitragsmittel von Versicherten verwendet werden. Ganz abwegig ist die Sorge nicht, wenn man an das frühere Modell der Aktienrente denkt. Und auch wenn sich zum jetzigen Zeitpunkt kein Versicherter und keine Versicherte sorgen müssen, dass mit ihren Rentenbeiträgen direkt spekuliert wird: Wenn der Bundesfinanzminister davon spricht, dass der Bund das Risiko für Fehlbeträge trägt, dann sind es letztlich die Steuerzahler*innen, die für Turbulenzen an den Börsen aufkommen müssen.
Aus Sicht des SoVD ist es zielführender, die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) direkt zu stärken. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die GRV neben Altersbezügen auch Renten an Hinterbliebene und Erwerbsminderungsrenten auszahlt. Überdies gewährt sie Leistungen für Prävention und Rehabilitation und berücksichtigt Zeiten der Kindererziehung und Pflege.
Rente weiter entwickeln zu Erwerbstätigenversicherung
Im Zentrum aller Überlegungen muss deshalb stehen, das Rentenniveau bei 48 Prozent oder höher zu stabilisieren und gleichzeitig die gesetzliche Rente weiterzuentwickeln – ein Ziel, für das sich der Verband seit Langem starkmacht.
„Wir brauchen hierfür eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einbezogen werden: Selbstständige, Beamt*innen, Mandatsträger*innen wie zum Beispiel Bundestagsabgeordnete und Mitglieder der berufsständischen Versorgungswerke“, betont Michaela Engelmeier. Auch gute Arbeit und höhere (Mindest-)Löhne seien ein verlässlicher Weg zu mehr Geld in der gesetzlichen Rentenkasse.
„Die Altersversorgung aller Bürgerinnen und Bürger muss sicher, solidarisch und kalkulierbar sein. Und das leistet die gesetzliche Rentenversicherung, aber kein Fonds am Aktienmarkt.“
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