Hoher GdB = früher in Rente?
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Herzlich willkommen zu einer neuen Folge unserer Reihe "Weit verbreitete Irrtümer im Sozialrecht"! Heute geht es um den Schwerbehindertenausweis. Denn immer noch haben viele Menschen mit Behinderung die Vorstellung, dass ein besonders hoher GdB den Zeitpunkt des Rentenbeginns nach vorn zieht. Das kann man so aber nicht stehen lassen.
"Ich habe GdB 100 Prozent und diverse Erkrankungen. Damit muss ich doch vor meinem gleichaltrigen Nachbarn in Rente kommen, der nur 50 hat!" Nun ja, wenn man völlig unbedarft an das deutsche Sozialrecht herangeht, dann könnte diese Aussage logisch erscheinen: Je ernster die dauerhafte Behinderung, desto zeitiger der Rentenbeginn. Quasi als individueller Nachteilsausgleich.
Und auch im echten Leben hat die Höhe Ihres GdB (Grad der Behinderung) durchaus mit der vorgezogenen Rente zu tun. In Wahrheit ist es aber viel simpler - und vielleicht ein kleines bisschen weniger gerecht.
Auf die 50 kommt es an
Denn wenn es um die Altersrente für schwerbehinderte Menschen geht, sollte man sich den GdB nicht als Skala vorstellen. Denken Sie vielmehr an ein Glas: Sie können immer mehr Wasser hineinfüllen - aber ab einem bestimmten Volumen ist das Glas voll und läuft über. Beim Grad der Behinderung ist dieser Moment die 50. Denn ab diesem Moment gelten Sie im Sozialrecht als schwerbehindert. Nicht bei 30, das wäre eine Gleichstellung. Und auch wenn Ihr GdB bei 60 oder gar den maximalen 100 liegt, ändert das nichts an Ihrem SB-Status in Bezug auf die Rente.
Mit anderen Worten: Sobald Sie die Schwelle von 50 übersprungen haben, steht es Ihnen frei, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu beantragen. Eine weitere Voraussetzung ist zwar, dass Sie auf Ihrem Rentenkonto eine 35-jährige Wartezeit erfüllen müssen. Da hier jedoch sehr viele Stationen aus Ihrem Lebenslauf mitgezählt werden - unter anderem Arbeitslosigkeit - scheitert es in der Regel nicht an der Versicherungszeit.
GdB 50 - und dann?
Die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bietet also allen Menschen die gleichen Bedingungen. Ein GdB von 100 bringt Sie nicht näher an die Rente als die knapp erreichte 50.
Alle Betroffenen können zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze abschlagsfrei in die Rente. Ein Beispiel:
Hans wurde 1960 geboren und lebt in Lunden. Vor 14 Tagen hat er den Bescheid vom Landesamt für soziale Dienste über einen GdB von 60 erhalten. Da er die 35-jährige Wartezeit der gesetzlichen Rentenversicherung locker erfüllt, könnte er nun zwei Jahre früher in Rente gehen. Ohne Abzug. Für den Jahrgang 1960 liegt die Regelaltersgrenze bei 66 Jahren und vier Monaten. Hans könnte also bereits mit 64 und vier Monaten eine abschlagsfreie Rente beziehen.
Jetzt erleben wir es in unserem Sozialberatung häufig, dass Mitglieder berichten: "Ein Kollege von mir ist aber noch früher in Rente gegangen. Und das konnte er wegen einer Behinderung, also muss die Höhe von den Prozenten ja doch eine Rolle spielen!"
Darauf kann man nur erwidern: Nein, dieser Gedankengang ist nicht korrekt. Denn jeder, der einen GdB von mindestens 50 hat und die 35 Versicherungsjahre vorweisen kann, hat zwei Optionen: Die erste ist die abschlagsfreie Rente, die wir bereits kennengelernt haben. Immer zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze. Wer es sich aber leisten kann, der dann noch früher in Rente. Maximal fünf Jahre vor der Regelaltersgrenze sind möglich - hier kostet dann aber jeder Monat 0,3 Prozent. Ihre Rente wird gekürzt.
Kommen wir zu unserem Beispiel zurück.
Da Hans immer gut verdient hat, macht es ihm nichts aus, dass seine Rente gekürzt wird. Er möchte so früh wie möglich raus aus dem Berufsleben. Deswegen kann er mit 1960er Baujahr sogar bereits mit 61 Jahren und vier Monaten in die Rente.
Mit 64 und vier Monaten kostet ihn der frühere Ruhestand keinen Cent. Jeder weitere Monat, den er vorzeitig in Rente geht, macht sich allerdings mit einem Abzug in Höhe von 0,3 Prozent bemerkbar. Bei einem Zeitraum von drei Jahren sind das also 10,8 Prozent. Dieser Abzug bleibt bis zum Lebensende bestehen.
Wenn Sie also hören, dass jemand bereits vier Jahre vorher eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch genommen hat, liegt das nicht daran, dass der GdB höher als 50 ist. In diesem Fall war die Person einfach bereit, eine gekürzte Rente in Kauf zu nehmen. Geld für Freiheit sozusagen.
Fazit
Fassen wir noch einmal zusammen: Für die Altersrente mit Schwerbehindertenausweis muss der GdB 50 oder höher betragen. Wenn das Landesamt für soziale Dienste bei Ihnen mehr festgestellt hat, bringt Sie das nicht noch schneller in die Rente. Falls Sie es sich aber leisten können, haben Sie die Option, sich einen früheren Rentenstart zu erkaufen. Jeder Monat kostet 0,3 Prozent Ihrer Bruttorente. Egal, ob Ihr GdB bei 50 oder 100 liegt.
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Kommentare (18)
berber
am 03.09.2024hallo
ich habe seit Januar 2022 eine Gleichstellung GDB 50 Prozent und habe mittlerweile 25 Jahre eingezahlt, wie sieht es aus wenn ich noch 8 Jahre also 33 Jahre habe und die die Grundrente haben will. Ist das möglich. Wie berechnet man sowas.
Christian Schultz
am 04.09.2024Hallo Berber, Infos zu Grundrente finden Sie hier: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Grundrente/grundrente_node.html
Pierre d Altri O Dardari
am 18.11.2024Moin ich bin 56j und bin am 4.2.1968 geboren habe am 29.4.2024 aufgehört zu Arbeiten wegen Starken Rückenprobleme und kann nicht mehr Arbeiten bin ab den 30.4.2024 Abgemeldet von meiner WFBM und habe 100% in mein Schwerstbehinderten Ausweis und bin jetzt Frührentner gield es auch für mich die Abzüge von meinem Renten Geld?
Bitte um eine Rück Mail
Mit Freundlichen Grüßen
d Altri O Dardari
Christian Schultz
am 19.11.2024Nein, wenn Sie bereits eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehen, kann die Altersrente später nicht niedriger sein.
Mel
am 26.01.2023Guten Tag,
ich habe seit langem einen GDB von mehr als 50. Ich habe mich vor 10 Jahren selbstständig gemacht, bringe aber aus der Zeit vorher 35 versicherungspflichtige Jahre zusammen. Mittlerweile fällt mir die Arbeit zunehmend schwerer, ich möchte aber die Selbstständigkeit noch einige Jahre aufrecht erhalten. Trotzdem wäre es mir eine Beruhigung, wenn ich den früheren Rentenbeginn für Schwerbehinderte in Anspruch nehmen könnte. Geht das überhaupt oder muss ich mit erheblichen Abzügen/Kürzungen irgendeiner Art rechnen?
vielen Dank
Mel
Christian Schultz
am 26.01.2023Hallo Mel, mit der Altersrente für schwerbehinderte Menschen können Sie bis zu fünf Jahre vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in den Ruhestand eintreten. Ob das finanziell sinnvoll ist, muss man sich natürlich für den Einzelfall anschauen: https://www.sovd-sh.de/aktuelles/meldung/altersarmut-behinderung-gesundheit-sozialberatung-rente-und-behinderung
Birgit Arndt
am 20.12.2022Mir fehlen 11 Monate bis zu 35 Jahren. Möchte mein Rentenkonto ausgleichen durch eine Einmalzahlung der 11 Monate. Habe einen GdB 70, wann kann ich in Rente gehen?
Danke
Christian Schultz
am 02.01.2023Das kommt immer auf Ihr Geburtsjahr an: https://www.sovd-sh.de/aktuelles/meldung/welche-abschlaege-gelten-bei-der-rente-mit-63
Toni L.
am 26.05.2022Ist der GdB 50 ausschlaggebend bei Rentenantrag oder Rentenbeginn?
Gruß
Toni L.
Christian Schultz
am 27.05.2022Wichtig ist, dass der Schwerbehinderten-Status zum Rentenbeginn aktuell ist.
Christof F.
am 24.01.2022Sehr geehrte Damen und Herren,
wie verhält es sich aber im Fall, wenn z.B. der Rentenantrag (> 35 Jahre BJ. 58, GdB 40%) gestellt wurde und während der Bearbeitungszeit bzw. nach Bewilligung der Rente der GdB auf Grund eines laufenden Änderungsantrages auf 50% erhöht wird?
Kann dann noch nachträglich die abschlagsfreie Rente beantragt werden?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Viele Grüße
Christof
Christian Schultz
am 24.01.2022Hallo Christof, nur wenn beim Rentenantrag schon ein Verfahren zum Schwerbehindertenstatus läuft und die Rentenversicherung davon weiß. Das ist etwas komplizierter, dazu machen wir demnächst einen eigenen Beitrag.
Stefan M.
am 02.11.2021Hallo, mein GdB ist seit Jan. 2018 50%.
Und ich bekomme seit Jan. 2018 volle Erwerbsminderungsrente auf Dauer.
Ich bin 1963 geboren und habe 35 Jahre in die Rente eingezahlt.
Somit arbeite ich also aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. In dieser Hinsicht ist also der frühere Rentenanfang kein Vorteil für mich.
Wenn ich nun als Nachteilsausgleich den früheren Rentenanfang trotzdem beantrage, worin besteht der Vorteil?
An der Höhe der regulären Rente ändert sich durch den früheren Rentebeginn ja nichts.
Ist denn die reguläre Rente höher als die volle Erwerbsminderungsrente?
Mit freundlichen Grüßen
Stefan M.
Christian Schultz
am 03.11.2021Hallo Stefan, Ihre Frage kann ich Ihnen nicht beantworten - aber einen ersten Eindruck erhalten Sie aus Ihrer Renteninformation. Da stehen ja die prognostizierten Zahlungen drin, auch für die EM-Rente.
Am sinnvollsten wäre aber wohl eine kostenlose Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung.
Werner K.
am 28.03.2021Moin,
Angenommen ich hätte ein GdB von 50 und würde mit einem Abschlag von 10,8% früher in Rente gehen.
Dann aber 3 Stunden (Minijob) max 450€ mit Rentenzahlungen weiter machen, dann würde sich es in der Zukunft auf die Rente positiv auswirken oder?
Gruß
Werner K. aus Rendsburg
Christian Schultz
am 29.03.2021Hallo Werner, das ist tatsächlich möglich. Auf diese Weise können Sie Ihre Altersrente (minimal) steigern.
Mike del Vecchio
am 25.03.2021Guten Abend,
Ich bin irritiert. Wenn ich mehrere Krankheiten habe die einen gdb von 100 rechtfertigen , diese Krankheiten mich auch darin hindern keine 3 Stunden am Tag zu Arbeiten , dann hat der gdb doch was mit dem Bezug der EM Rente zu tun oder verstehe da was nicht richtig?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Mike del Vecchio
Christian Schultz
am 26.03.2021Hi Mike, in unserem Beitrag geht es ja um die vorgezogene Altersrente. Mit der EM-Rente hat das nichts zu tun. Die steht übrigens auch nicht direkt mit Ihrem GdB in Verbindung. Auch ein GdB 100 bedeutet nicht, dass Sie automatisch auch eine Erwerbsminderungsrente erhalten.
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