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Kosten fürs Pflegeheim: Sozialamt Stormarn kommt mit Bearbeitung nicht hinterher

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„Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich fühle mich sozial entmündigt.“ Es bricht geradezu aus Juliane Herbst heraus. Vor eineinhalb Jahren musste sie ihren Mann in einem Pflegeheim unterbringen. Diagnose Demenz. „Irgendwann ging es zu Hause einfach nicht mehr. Als Angehöriger schafft man das nicht mehr allein, die stationäre Unterbringung war der einzige Ausweg, der uns noch blieb.“

Juiliane Herbst aus Reinfeld kämpft um die Hilfe zur Pflege für ihren Mann

In den ersten Monaten kratzte die 64-Jährige ihre Ersparnisse zusammen, um die Kosten für das Pflegeheim zu begleichen. Aber schnell war klar: So geht es nicht weiter. Die vierstelligen Kosten für den Platz im Heim stiegen ihr schnell über den Kopf. Also beantragte sie bei der Kreisverwaltung Stormarn die sogenannte Hilfe zur Pflege.

Hierbei handelt es sich um eine staatliche Leistung, die immer dann einspringt, wenn weder die pflegebedürftige Person selbst noch deren Angehörige eine stationäre Pflege finanzieren können. Bei monatlichen Kosten von mehr als 2000 Euro keine Seltenheit. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Pflegeheim wird dann vom Sozialamt bezahlt.

Keine einfache Situation für die Reinfelderin: „Wir sind immer ohne staatliche Unterstützung ausgekommen. Wir haben immer gearbeitet. Bis es jetzt eben einfach nicht mehr ging.“

Das Problem: Auch wenn Juliane Herbst die Hilfe zur Pflege vor über einem Jahr beantragt hat – der Kreis Stormarn hat bisher keinen Cent an das Pflegeheim überwiesen. Warum? Weil der Antrag immer noch nicht abschließend bearbeitet wurde.

Juliane Herbst ist verzweifelt: „Ich hatte bereits mit sechs verschiedenen Mitarbeitern zu tun. Immer wieder musste ich fehlende Unterlagen nachreichen. Immer wieder musste ich auch mit dem Jobcenter sprechen, weil ich aktuell Bürgergeld beantragen musste. Aber nach über einem Jahr hat das Sozialamt unseren Antrag immer noch nicht abschließend bearbeitet. Ich frage mich, wo da der Mensch bleibt.“

Kann es wirklich sein, dass eine Sozialbehörde in Deutschland so lange Zeit hat, einen Antrag zu bearbeiten? Einen wichtigen Antrag, damit das Pflegeheim für seine Arbeit bezahlt werden kann? „Leider ist das hier im Kreis Stormarn an der Tagesordnung“, weiß Konstanze Bliß aus dem SoVD-Sozialberatungszentrum in Bad Oldesloe. „Bearbeitungszeiträume von einem Jahr sind hier normal. Ganz besonders lang dauert es, wenn weitere Behörden ins Spiel kommen – wie in diesem Fall das Jobcenter. Dann dauert es häufig noch länger.“

Ganz wichtig: Man sollte in dieser Situation niemals auf eigene Rechnung die Kosten für das Pflegeheim bezahlen. Auch nicht für den Übergang. Denn: In diesem Moment ist das Sozialamt raus aus der Nummer und muss nicht mehr zahlen. Konstanze Bliß: „Machen Sie das auf gar keinen Fall. Wir sprechen oft mit Angehörigen, die das Geld zusammenkratzen und die Rechnung selbst bezahlen möchten. Die Leute haben Angst, dass die Verwandten sonst schlecht im Heim behandelt werden. Aber Sie bekommen das Geld dann nicht vom Sozialamt zurück.“

Für Alfred Bornhalm, den Landesvorsitzenden des SoVD in Schleswig-Holstein, ist das Vorgehen der Stormarner Kreisverwaltung ein Skandal: „Hier wird auf dem Rücken der Menschen Zeit vergeudet. Bei allem Verständnis für ein hohes Arbeitsaufkommen: Solche Anträge dürfen nicht dermaßen lange in Bearbeitung sein. Wenn der Kreis damit nicht hinterherkommt, müssen andere Wege gefunden werden – zum Beispiel Vorschüsse, das machen andere Kreise auch. Wir werden das als Sozialverband nicht hinnehmen!“

Juliane Herbst ist am Ende ihrer Kräfte. „Wissen Sie, wir haben die Demenz nicht herbeigerufen. Ich wünsche das niemandem, es macht so viel kaputt. Mein Mann und ich wollten im Ruhestand durch Irland reisen. Stattdessen muss ich nun als Bittstellerin seit einem Jahr beim Sozialamt vorstellig werden.“


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