Mit einer Regierungskommission arbeitet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seit 2022 an einer Krankenhausreform. Ziel ist eine moderne und bedarfsgerechte Versorgung, die wieder mehr unter medizinischen und weniger unter ökonomischen Kriterien erfolgt. Finanzierung und Struktur des Kliniknetzes sind dafür neu zu ordnen. Nach kontroversen Diskussionen soll nun bis Sommer ein Gesetzesentwurf stehen. Der SoVD appelliert, die Reform zügig umzusetzen.
Ob als akuter Notfall oder zum geplanten Eingriff, zur Therapie schwerer Erkrankungen oder Geburt eines Kindes: Fast alle Menschen kommen im Laufe ihres Lebens mehrfach in die Lage, im Krankenhaus stationär versorgt werden zu müssen.
Entscheidend, manchmal sogar lebenswichtig ist es dann, eine Klinik in erreichbarer Nähe zu wissen, in der in Ausnahmesituationen schnell und in jedem Falle qualitativ hochwertig behandelt werden kann.
Die stationäre Krankenhausversorgung ist ein wichtiger Teil unserer Daseinsvorsorge.
Länder kommen Finanzierungsverantwortung nicht nach
Doch Privatisierung und Ökonomisierung schreiten in diesem sensiblen Bereich seit Jahren voran. Um die Wirtschaftlichkeit von Kliniken zu erhöhen, wurden unter anderem Fallpauschalen installiert. Die in erster Linie leistungs- und mengenorientierten Finanzierungsanreize führten zu dramatischen Fehlentwicklungen. Unter dem Prinzip „Je mehr Fälle, desto größer der Gewinn“, litt und leiden in vielen Fällen die individuelle Versorgungsqualität und -kapazität. Das bekommen Patient*innen und Klinikbeschäftigte immer empfindlicher zu spüren.
Verschlimmernd wirkt sich aus, dass die Bundesländer seit Jahren ihrer Finanzierungsverantwortung hinsichtlich der Investitionskosten nicht ausreichend nachkommen.
Angebote klaffen auseinander
Insbesondere kleinere Krankenhäuser, die im ländlichen Bereich eine Notfall- und Grundversorgung anbieten, geraten zunehmend in die Misere.
Die Versorgungsangebote im Deutschland klaffen auseinander: Während in ländlichen und strukturschwachen Gebieten die stationäre medizinische Versorgung mancherorts kaum noch zu gewährleisten ist, gibt es in den Ballungszentren zum Teil eine „Überversorgung“.
„Wir haben es mit der Ökonomisierung übertrieben. Krankenhäuser können nur Geld verdienen, wenn sie viele Fälle machen“, sagt der Bundesgesundheitsminister, der seinerzeit selbst an der Entwicklung von Fallpauschalen beteiligt war, heute.
Zahlungen künftig bereits für Vorhalteleistungen
Um eine flächendeckende Verbesserung der Versorgungsqualität und -sicherheit zu erreichen, setzte Lauterbach im Sommer 2022 eine Regierungskommission ein. Das Ziel: Vorschläge für eine Krankenhausreform zu erarbeiten. Im Dezember stellten Vertreter*innen der Kommission erste Eckpunkte vor.
Im Wesentlichen soll demnach das bisherige Vergütungssystem mit Fallpauschalen für Behandlungen verändert und weiterentwickelt werden. Um wirtschaftlich nicht so stark auf die Quantität der Fälle angewiesen zu sein, sollen Krankenhäuser künftig schon für das Bereitstellen bestimmter Klinikleistungen Zahlungen erhalten. So will man den ökonomischen Druck senken.
Klinik-Beschäftigte gewinnen damit gleichzeitig mehr Freiräume, um Patient*innen besser zu versorgen. Und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Coronapandemie ist das Vorhalten von Leistungen geboten, so die Expert*innen.
„Vorschläge sind wichtige und notwendige Impulse“
„Die Empfehlungen der Regierungskommission und die Eckpunkte des Bundesministeriums für Gesundheit sind wichtige und notwendige Impulse für einen längst überfälligen Paradigmenwechsel“, begrüßt die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier ausdrücklich die Zielsetzung, wieder medizinische Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen. „Die jahrzehntelangen Fehlentwicklungen müssen dringend gestoppt werden. Patientinnen und Patienten brauchen eine wohnortnahe, bedarfsgerechte und zugleich qualitativ hochwertige Versorgung – und dies flächendeckend in der Stadt und auf dem Land!“
Versorgungsstufen und Leistungsgruppen bilden
Laut Reformvorschlägen soll das Krankenhausnetz zudem in drei Versorgungsstufen eingeteilt und entsprechend finanziert werden. Drei Versorgungslevel stehen dabei im Fokus: die wohnortnahe Grundversorgung, die Schwerpunktversorgung sowie die Maximalversorgung, etwa durch Universitätskliniken.
Für jedes Level sollen einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten, wobei die Bundesländer Stufenzuordnung der Krankenhäuser vornehmen sollen. Die Leistungsgruppen sind jeweils so zu definieren, dass die Versorgung von Patient*innen innerhalb eines Bereichs auf der Basis ähnlicher Qualifikationen, Kompetenzen sowie medizinischer Ausstattung erfolgen kann.
Auf diese Weise sollen Kliniken eindeutige Versorgungsaufgaben zugeteilt werden, die einweisenden Ärzt*innen, Beschäftigten der Kliniken, Patient*innen und Angehörigen mehr Orientierung geben. Zum Vergleich: Bislang ist die Krankenhauslandschaft eher historisch gewachsen – mit unterschiedlichen Fachabteilungen in allen Kliniken und Leistungen, die zum Teil allein aus ökonomischen Gründen gewählt wurden. Eine Folge: Heute werden leider auch schwere Erkrankungen in dafür personell und technisch nicht ausreichend ausgestatteten Kliniken behandelt.
Sinnvollerer Einsatz hochqualifizierter Fachkräfte
Die qualitätsorientierte Konzentration von Leistungen auf dafür adäquat ausgestattete Kliniken kann aus Sicht führender Klinik- und Kassenverbände „zu einem sinnvolleren Einsatz der hochqualifizierten medizinischen Fachkräfte führen und so die Auswirkungen des Fachkräftemangels reduzieren“. Das teilten die Verbände, darunter der AOK-Bundesverband, der Verband der Universitätsklinika Deutschland (VUD), die Allianz Kommunaler Großkliniken e. V. (AKG), die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), der GKV-Spitzenverband und der Verband der Ersatzkassen (vdek) in einer entsprechenden Presseerklärung mit. Auch der SoVD schließt sich dieser Einschätzung an und befürwortet die Strukturvorgaben mit Einteilung in Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. „Dies kann die Behandlungsqualität für die Patient*innen nur verbessern“, so Engelmeier.
Unrealistisch ist aus SoVD-Sicht hingegen das gleichbleibende Finanzvolumen für den Strukturumbau. SoVD-Vizepräsidentin Ursula Engelen-Kefer mahnt: „ Eine zukunftsfähige Versorgung wird nicht allein durch reine Umverteilung der Mittel gelingen.“
Kapitalmarktanlegern keine weiteren Anreize mehr bieten
Die SoVD-Vorstandsvorsitzende Engelmeier spitzt zu: „Aktien- und Kapitalgesellschaften verwenden Versichertengelder dafür, Renditen zu maximieren, anstatt sie zur Gesundheitsversorgung einzusetzen. Der deutsche Krankenhausmarkt hat viel zu lange Kapitalmarktanlegern interessante Investmentmöglichkeiten geboten.“ Der SoVD drängt deshalb dazu, keine weitere Zeit zu verlieren. Bund und Länder müssen bei der Reform zusammen arbeiten, statt gegeneinander!
Lauterbach hofft nun, dass noch vor der Sommerpause ein Entwurf für das „seit zehn Jahren überfällige Gesetz“ erarbeitet werden kann. Der SoVD wird die Entwicklung weiter aufmerksam und kritisch begleiten.
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