1 Zusammenfassung des Gesetzesentwurfs
Der Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung 2022 und zur Verbesserung von Leistungen für den Erwerbsminderungsrentenbestand sieht im Wesentlichen Änderungen in drei Regelungsbereichen vor:
- die Reaktivierung des Nachholfaktors und weitere eher technische Änderungen bei der Rentenanpassung und beim Rentenniveau,
- die jährliche Rentenanpassung zum 1. Juli 2022 sowie
- Verbesserungen für Erwerbsminderungsrenten im Bestand.
Aufgrund der Rentengarantie (nach § 68a SGB VI) sind Rentenkürzungen, die sich aufgrund einer negativen Lohnentwicklung rein rechnerisch ergeben würden, ausgeschlossen. Mit der Reaktivierung des Nachholfaktors wird künftig wieder jede unterbliebene Rentenkürzen bei einer darauffolgenden positiven Rentenanpassung verrechnet. Dies ist nun der Fall, so dass bei der diesjährigen Rentenanpassung 2022 die Rentenminderung von 2021 nachgeholt wird. Dabei soll die Berechnung des Ausgleichsbedarfs unter Beachtung der Haltelinie für das Sicherungsniveau vor Steuern von mindestens 48 Prozent erfolgen. Insoweit ist es bedeutsam, dass zugleich statistische Verzerrungen bei der Festsetzung des Rentenniveaus bereinigt werden.Außerdem werden noch weitere Veränderungen bei der Rentenanpassung vorgenommen, die für mehr Transparenz und Einfachheit sorgen sollen: eine „Glättung“ beim Nachhaltigkeitsfaktor sowie eine Vereinfachung der Rentenanpassungsmechanik mit einer Ausrichtung an der Haltelinie für das Sicherungsniveau vor Steuern.
Nach dem Entwurf für ein Rentenwertbestimmungsgesetz 2022 werden zum 1. Juli 2022 der aktuelle Rentenwert auf 36,02 Euro und der aktuelle Rentenwert (Ost) auf 35,52 Euro angehoben. Damit sollen die Renten im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent steigen. Der Ausgleichsbedarf, der sich aus 2021 ergeben hat, ist bereits eingeflossen, wird vollständig abgegolten und beträgt daher ab dem 1. Juli 2022 1,0000. Das Sicherungsniveau vor Steuern wird auf 48,14 Prozent festgesetzt.
Die dritte wesentliche Regelung betrifft die Verbesserungen für Erwerbsminderungsrenten (EMRenten) im Bestand. Hier sieht der Referentenentwurf einen pauschalen prozentualen Zuschlag zur Rente vor, der sich in der Höhe danach richtet, wann erstmalig eine Erwerbsminderungsrente bezogen wurde. Der Zeitraum bezieht sich auf einen EM-Rentenbeginn zwischen 2001 und Ende 2018. Die Regelung bezieht auch diejenigen Personen ein, die vormals eine Erwerbsminderungsrente bezogen haben, mittlerweile aber in Altersrente sind, sofern sich der Altersrentenbeginn unmittelbar an den Bezug einer EM-Rente anschließt, die zwischen 2001 und 2018 begonnen hat. Ein Rentenzuschlag kann auch zu einer Hinterbliebenenrente gezahlt werden, wenn der Versicherte in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2018 sowie vor Vollendung seines 65. Lebensjahres und acht Monate verstorben ist.
Sowohl die Reaktivierung des Nachholfaktors als auch die Verbesserungen für Erwerbsminderungsrenten im Bestand sind Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag der Koalition aus SPD, BÜNDNIS 90/Die Grünen und FDP für die 20. Legislaturperiode.
2 Gesamtbewertung
Der Referentenentwurf ist von dem Ziel geprägt, den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft nachhaltig zu stärken. Dieses Ziel ist aus Sicht des SoVD nur ansatzweise erreicht worden. Zu begrüßen ist, dass der Referentenentwurf für ca. drei Millionen Rentner*innen Leistungsverbesserungen vorsieht, die insbesondere Erwerbsminderungsrentner*innen zugutekommen sollen, deren Rente zwischen dem 1. Januar 2001 und 31. Dezember 2018 begonnen hat. Für diese Renten sind Zuschläge zur Aufstockung der Rente für Bezugszeiten ab dem 1. Juli 2024
vorgesehen. Zur tatsächlichen Gleichbehandlung aller Erwerbsminderungsrentner*innen sind aus Sicht des SoVD jedoch höhere Zuschläge erforderlich. Darüber hinaus ist ein früherer Zeitpunkt des Inkrafttretens notwendig. Dennoch ist es anerkennenswert, dass der Referentenentwurf die Problematik der Erwerbsminderungsrenten im Bestand aufgegriffen hat und damit langjährige Forderungen des SoVD einer gesetzgeberischen Lösung zuführen will.
Großes Manko des Referentenentwurfs ist die Reaktivierung des Nachholfaktors, den der SoVD entschieden ablehnt. In der Rentenanpassungsformel wirken bereits zahlreiche Dämpfungsfaktoren, so dass die Löhne und Renten sich jetzt schon nicht im Gleichschritt bewegen. Ein weiteres Absinken der Renten durch den Nachholfaktor kann daher nicht akzeptiert werden. Weitere Regelungen des Referentenentwurfs zu den Grundsätzen der Rentenanpassung können hingegen zu mehr Transparenz und zur Vereinfachung der Rentenanpassung führen. Dies gilt insbesondere für die „Glättung“ beim Nachhaltigkeitsfaktor und für die „Anpassung nach Mindestsicherungsniveau“. In diesem Sinne ist es auch zu begrüßen, dass statistische Verzerrungen beim Rentenniveau vor Steuern durch das Herausrechnen eines Statistikeffekts beseitigt werden.
Der Referentenentwurf zeigt darüber hinaus deutlich die Notwendigkeit der Fortschreibung der Haltelinie für ein Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent auf. Denn spätestens 2026 wird das Rentenniveau aller Voraussicht nach auf unter 48 Prozent sinken. Das muss dringend unterbunden werden.Vielmehr ist eine Anhebung des Rentenniveaus auf 50 und perspektivisch sogar auf 53 Prozent notwendig, um eine lebensstandardsichernde Rente zu garantieren.
Die Rentenanpassung für 2022 erscheint auf den ersten Blick außergewöhnlich hoch zu sein. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es 2021 eine Nullrunde gegeben hat und sowohl die Corona-Pandemie als auch die Inflation finanzielle Spuren für Millionen Rentner*innen hinterlassen haben. Der Reaktivierung des Nachholfaktors kann daher auch vor diesem Hintergrund nicht zugestimmt werden.
Fortsetzung zu den einzelnen Regelungen im PDF
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