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Rentenpaket II soll Rentenniveau sichern

Reformvorhaben wird bald im Bundestag beraten – Änderungen nicht ausgeschlossen

Junge Frau umarmt ältere Frau von hinten.
Überproportional viele Menschen sind bald im verdienten Ruhestand. Foto: chika_milan / Adobe Stock

Nach langem Ringen haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Bundesminister*innen den Weg für das Rentenpaket II freigemacht: Das Kabinett billigte die Reformpläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Diese sehen vor allem eine Stabilisierung des Rentenniveaus und die Absicherung künftiger Altersbezüge vor. Das Finanzministerium hatte die Verabschiedung zunächst blockiert, nachdem der Entwurf bereits im März vorgelegt worden war. Im Bundestag könnte das Gesetz noch geändert werden.

Mit der Reform soll das Rentenniveau bis 2040 auf wenigstens 48 Prozent gehalten werden. Sonst würde es im Vergleich zur Lohnentwicklung einbrechen. Denn Millionen „Babyboomer“ mit Geburtsjahren in den 1950er- und 1960er-Jahren gehen in den Ruhestand. So steigen die Ausgaben der Rentenversicherung, während ihre Beitragseinnahmen sinken.

Im zweiten Teil des geplanten Rentenpaketes will die Regierung zudem bis Mitte der 2030er-Jahre mindestens 200 Milliarden Euro am Aktienmarkt anlegen.

Steigende Rentenbeiträge erwartet

Im Startjahr will der Bund dazu zunächst zwölf Milliarden Euro Schulden aufnehmen. Aus den Kapitalerträgen sollen in Zukunft jährlich zehn Milliarden Euro an die Rentenversicherung fließen. Das soll verhindern, dass die Beiträge noch stärker steigen als zu erwarten.

Die Regierung rechnet so bis 2045 mit einem Beitragsanstieg von aktuell 18,6 Prozent auf dann 22,3 Prozent. Ohne Reform würde das Niveau schon im Jahr 2037 auf 45 Prozent eines Durchschnittlohns sinken. Insofern hilft eine Stabilisierung auch den jetzt Jungen.

SoVD für Erwerbstätigenversicherung

Im Kampf gegen wachsende Altersarmut setzt sich auch der SoVD seit Jahren für die Sicherung und Anhebung des Rentenniveaus ein. Er plädiert dabei für die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung in eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle Beschäftigten einzahlen – auch Selbstständige, Beamt*innen und Abgeordnete.

Auf der Internetseite www.die-bessere-rente.de macht der SoVD gleichzeitig Optimierungsvorschläge.

Interview mit Tanja Machalet„Eine Frage des Respektes vor der Lebensleistung“

Das Rentenpaket ist ein sozialpolitisches Vorhaben der Ampelkoalition, mit dem die SPD ihr Wahlversprechen stabiler Renten durchsetzen will. Vor allem die FDP übte starke Kritik, dass jüngere Generationen damit zu sehr belastet würden. Wir sprachen mit der rentenpolitischen Sprecherin der SPD-Bundstagsfraktion, Dr. Tanja Machalet.

___Warum ist es so wichtig, das Rentenniveau auf 48 Prozent zu halten?

Das ist nicht nur für die Rentnerinnen und Rentner wichtig. Mit dem Rentenniveau sichern wir das Verhältnis zwischen Durchschnittslohn und der sogenannten Standardrente – eine Rente, die erzielt wird, wenn jemand 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet und Beiträge eingezahlt hat.

Aktuelle Prognosen zeigen, dass das Rentenniveau in den nächsten Jahren um bis zu vier Prozent absinken wird. Genau dafür brauchen wir das Rentenpaket II. Ohne dieses würde eine Rente im Jahr 2040 von beispielsweise 1.500 Euro um knapp 100 Euro, also sogar gut sechs Prozent, geringer ausfallen.

Ich weiß, der SoVD ist ein Sozialverband und fordert ein Rentenniveau von 53 Prozent. Auch hier haben wir nichts dagegen, dafür braucht es wiederum politische Mehrheiten. Umso wichtiger, den Moment jetzt zu nutzen und das Rentenniveau bei 48 Prozent langfristig zu sichern.

___Warum dauert die Einigung so lange?

Wir sind drei Partner aus sehr unterschiedlichen Lagern und versuchen alle, das durchzubringen, was aus unserer Sicht für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes das Richtige ist. Dabei haben wir aber unterschiedliche Schwerpunkte und manchmal vielleicht auch unterschiedliche Biografien und Lebensrealitäten vor Augen. Hier einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist nicht immer einfach. Aber wir arbeiten weiterhin konstruktiv daran, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

___Wo sehen Sie besondere Herausforderungen?

Es ist natürlich nicht zuträglich, dass das Paket in der Presse von allen Personen – ob mit oder ohne rentenpolitische Funktion – kommentiert wird. Hier kursiert sehr viel Halbwissen, was zu Missverständnissen führt. Bei den einen besteht die Sorge, dass die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler noch mehr zahlen müssen. Das kann ich verstehen. Wir müssen uns hier aber auch ehrlich machen: Der Beitragssatz wird steigen. Auch ohne Rentenpaket II. Der Unterschied ist, wenn wir das Rentenpaket II nicht verabschieden, dann wird das Rentenniveau drastisch absinken.

___Welche Rolle spielt dabei die Rente nach 45 Beitragsjahren?

Aus Sicht eines Koalitionspartners soll die Rente für besonders langjährig Versicherte abgeschafft werden. Sie sei in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr zeitgemäß und wir könnten sie nicht bezahlen. Vielen Dank erstmal dafür, dass Sie nicht den Begriff „Rente mit 63“ nutzen, wie viele andere. Er ist schlichtweg falsch, denn mit 63 kann man höchstens noch vorzeitig mit Abschlägen in Rente gehen.

Aktuell liegt die Altersgrenze bei 64 Jahren und vier Monaten. Das ist das Mindestalter für die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren. 2007 wurde das Gesetz verabschiedet, mit dem die Regelaltersgrenze nun schrittweise auf 67 Jahre angehoben wird. Schon damals war man sich einig, dass diejenigen, die noch vor ihrem 20. Lebensjahr angefangen haben, sozialversicherungspflichtig zu arbeiten, auch zwei Jahre früher abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Das ist eine Frage des Respekts vor Lebensleistungen. Viele dieser Menschen stellen die Daseinsvorsorge sicher – in Krankenhäusern, Kitas oder im Einzelhandel. Das sind zum Teil körperlich sehr anspruchsvolle Jobs und wir dürfen nicht an deren wohlverdientem Ruhestand rütteln. Das ist für uns eine rote Linie!

___In unseren Beratungsstellen sind Erwerbsminderungsrenten häufig ein Thema. Hier gibt es zum 1. Juli einen Teilerfolg.

Sie haben es gesagt: Drei Millionen Rentnerinnen und Rentner erhalten ab 1. Juli 2024 einen Zuschlag zur Erwerbsminderungsrente, und darüber freue ich mich sehr.

Wichtig war es für uns auch, Anfang dieses Jahres gesetzlich einen Eingliederungsversuch für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner auf den Weg zu bringen. Heißt: Man darf, obwohl man eine Erwerbsminderungsrente bezieht, für sechs Monate einen Arbeitsversuch starten. Und das, ohne befürchten zu müssen, den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente zu verlieren.

Die Rückendeckung ist für die Menschen, die einen Weg zurück ins Erwerbsleben suchen, enorm wichtig.

Oft beobachte ich, dass Betroffene zwischen den Trägern hin- und herlaufen, weil nicht eindeutig bestimmbar ist, ob ihre Situation ein Fall für die Unfallversicherung, die Bundesagentur für Arbeit, die Krankenkasse oder die Rentenversicherung ist. Bis sie endlich einen Bescheid bekommen, kann es einige Zeit dauern. Deswegen sind wir auch dabei, eine trägerübergreifende Fallmanagement-Struktur aufzubauen, um den Antragsprozess für Betroffene zu erleichtern.

___Was würden Sie sich für die Rentner*innen perspektivisch wünschen?

Auf einer persönlichen Ebene wünsche ich mir für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dass sie ein Alter ohne existenzielle Sorgen führen können. In einer idealen Welt würden wir die Altersgrundsicherung abschaffen, weil wir sie nicht mehr brauchen.

Aber vielleicht setzen wir unsere Ziele etwas niedriger: Perspektivisch bin ich immer noch für eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen und bei der die Beitragsbemessungsgrenze deutlich angehoben wird.


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