Schwerbehinderung - wann bekomme ich den Ausweis?
Aktuelles Behinderung Gesundheit
Auch wenn Sie eine amtliche Behinderung vorweisen können: Nicht in jedem Fall bedeutet das automatisch, dass damit auch der Schwerbehindertenausweis einhergeht. Was es dafür braucht, erläutern wir in diesem Beitrag.
Behinderung ist nicht gleich Behinderung. Und nicht jede Behinderung oder Krankheit führt zu bestimmten Vorteilen für den Ausweis-Inhaber - besser und passender ist übrigens der Begriff "Nachteilsausgleich".
Wenn Sie selbst an einer bestimmten Erkrankung leiden und darüber nachdenken, ob Ihnen gar ein Schwerbehindertenausweis zusteht, sollten Sie auf alle Fälle in die "Versorgungsmedizin-Verordnung" schauen. In diesem kostenlosen Büchlein finden Sie für zahlreiche Krankheiten und Behinderungen detaillierte Einträge, mit welchem Grad der Behinderung (Gdb) diese zu bewerten sind.
"Führt meine Krankheit zum Schwerbehindertenausweis?"
Bevor Sie also einen Antrag beim Landesamt für soziale Dienste (LAsD) stellen, werfen Sie am besten einen Blick in das blaue Büchlein. Achtung - verwenden Sie immer die aktuelle Variante. Die Verordnung wird immer mal wieder angepasst, so dass bestimmte Behinderungen heute anders gewertet werden als noch vor einigen Jahren. Damit Sie also keine bösen Überraschungen erleben, sollten Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) nachschauen. Hier gibt es die Versorgungsmedizin-Verordnung kostenlos zum Download.
Doch selbst bei ein und derselben Krankheit spuckt die Verordnung mitunter verschiedene Bewertungen aus. Denn nicht die Diagnose einer Behinderung sorgt am Ende für den GdB, sondern die damit verbundenen Funktionseinschränkungen. Also die Frage, was Sie aufgrund der Erkrankung nicht mehr oder nicht mehr so gut machen können. Wann Sie Schmerzen haben. Oder wie die Behinderung Ihr Leben sonst noch einschränkt.
Dazu ein Beispiel. Für den Tinnitus (Ohrgeräusche) finden sich in der Versorgungsmedizin-Verordnung gleich vier unterschiedliche Einschätzungen für den Grad der Behinderung:
- ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen: 0 – 10
- mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen: 20
- mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägte depressive Störungen): 30-40
- mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten: mindestens 50
Falls Sie an Tinnitus leiden, kommt es also auf die Ausprägung an. Und in der Folge darauf, was Ihr Haus- oder Facharzt zu Papier bringt, wenn es um die wichtigen Befundberichte geht.
Behindertenausweis erst ab GdB von 50
So ermittelt sich also der Grad der Behinderung für einzelne Erkrankungen. Kommen mehrere zusammen, werden die jeweiligen Einzel-GdB in aller Regel nicht addiert. Nur wenn sich die unterschiedlichen Behinderungen gegenseitig verstärken - etwa Probleme beim Sehen und Hören - kommt es zu einem insgesamt höheren Gesamt-GdB. Andernfalls läuft es auf den höchsten der gesammelten Einzel-GdBs hinaus.
Eine wichtige Wasserscheide müssen wir aber noch ansprechen: Schon ab einem GdB von 20 verfügen Sie über eine anerkannte Behinderung. Schwerbehindert sind Sie jedoch erst ab der magischen Grenze von 50. Erst ab hier wird Ihnen außerdem der Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Nicht vorher.
Fazit
Auch wenn Sie an einer schweren Erkrankung leiden, bedeutet das nicht automatisch auch den Schwerbehindertenausweis. Ob Sie diesen bekommen und wie hoch Ihr GdB am Ende ausfällt, hängt vor allem von den Funktionseinschränkungen ab. Diese müssen von Ihren Ärzten möglichst konkret beschrieben werden. Denn zu einer pesönlichen Begutachtung beim Amtsarzt kommt es beim Antrag zum Schwerbehindertenausweis nur in sehr seltenen Fällen. In der Regel läuft alles nach Aktenlage.
Ob Ihnen mit Ihrem Grad der Behinderung und/oder dem Ausweis Nachteilsausgleiche zustehen, hängt ebenfalls von dem oben geschilderten Verfahren ab. Hier kommt es auf die Höhe des GdB und die Anerkennung bestimmter Merkzeichen an.
Wenn Sie Fragen zum Schwerbehindertenausweis und dem Weg dorthin haben, sollten Sie sich individuell beraten lassen. So kann man am besten auf Ihre persönliche Situation eingehen.
Sie wollen regelmäßig über neue Beiträge in unserem Blog informiert werden? Melden Sie sich einfach zu unserem Newsletter per E-Mail an!
Kommentare (6)
Jessica
am 23.02.2023Sehr geehrter Herr Schulz,
mein Vater hat Pflegestufe 5, Demenz, Alzheimer, Parkinson. Er hat 80 % GdB. Er kann sich nicht alleine anziehen oder mit Essen versorgen. Nun wollte meine Mama, die ihn pflegt, das "H" eintragen lassen, weil er ständige Hilfe braucht. Dies wurde ohne Anforderung von Arztberichten abgelehnt und beim Widerspruch wurde gesagt, dass kann 4 Jahre bis zur Entscheidung dauern. Kann man da nichts weiter machen? Würde eine Beratung bei Ihnen noch helfen?
Christian Schultz
am 24.02.2023Hallo Jessica, im Sozialrecht ist eine persönliche Beratung immer zu empfehlen. Zumindest, wenn es über einen einfachen Rentenantrag hinausgeht. Das geht bei einem Fachanwalt für Sozialrecht oder meinen Kollegen: https://www.sovd.de/sozialverband/organisation/landes-und-kreisverbaende
Herbert Müller
am 08.02.2023Hallo Herr Schulz, ich habe einen GdB 70 und das G in meinem Schwerbehinderten Ausweis. Ich habe jetzt aufgrund meiner Schwerhörigkeit 2 Hörgerät bekommen .Lohnt es einen verschlechterungs Antrag zu stellen?
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Müller
Christian Schultz
am 08.02.2023Hallo Herbert, es ist unwahrscheinlich, dass sie aufgrund Ihrer Hörschädigung nun einen höheren Gesamt-GdB erhalten würden. Sehr unwahrscheinlich sogar. Aber natürlich kann man das am Ende nur fundiert beurteilen, wenn man sich Ihre Unterlagen genauer anschaut.
Karin
am 26.01.2023Sehr geehrter Herr Schulz,
ich leide unter chronischen Schmerzen, einer mittelgradigen Depression und einer PTBS.
Sowie Arthrose in beiden Knieen, Schulter, Füße und Fingern. ( Bandscheibenvorfälle in BWS und LWS)
Zurzeit habe ich einen Grad der Behinderung von 30 Grad.
Wäre ein Verschlimmerungsantrag sinnvoll?
Ich möchte mich auch für Ihre sehr hilfreichen Informationen bedanken.
Christian Schultz
am 26.01.2023Hallo Karin, leider kann man Ihre Frage nicht allgemein beantworten. Denn über die Höhe des GdB entscheiden nicht die Diagnosen, sondern die Funktionseinschränkungen der Krankheiten. Also die Frage, wie sehr sind Sie im Alltag gesundheitlich eingeschränkt.
Um Ihre Frage zu beantworten, müsste man also die Arztberichte anschauen. Das können Sie gern bei meinen Kollegen angehen: https://www.sovd.de/sozialverband/organisation/landes-und-kreisverbaende
Neuen Kommentar schreiben