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Unser Zwischenzeugnis für die Landesregierung in Schleswig-Holstein

Behinderung Armut Gesundheit

Knapp anderthalb Jahre ist die Landesregierung Schleswig-Holsteins nun im Amt. Der Koalitionsvertrag, den CDU, FDP und die Grünen vereinbart haben, steht unter dem Motto „Das Ziel verbindet“. Und im Bereich „Soziales und Gesundheit“ nennen Ministerpräsident Daniel Günther und seine Mitstreiter einige Ziele, die bis zum Ende der Legislaturperiode erreicht werden sollen.

Arbeit. Behinderung. Wohnen.

Schon zu Beginn ihrer Amtszeit hat sich der Sozialverband Schleswig-Holstein an die Landesregierung gewandt und Fortschritte in der Sozialpolitik gefordert. Dabei haben wir den Focus auf fünf Bereiche gelegt, in denen wir uns für die Menschen im Land eine positive Entwicklung wünschen.

  1. Gerechte Arbeit mit fairen Löhnen
  2. Mehr Einsatz für eine gerechte Rente
  3. Recht auf eine angemessene Wohnung
  4. Medizinische Versorgung muss auch auf dem Land möglich sein
  5. Echte Beteiligung von Menschen mit Behinderung am Bundesteilhabegesetz

Wir denken, nach eineinhalb Jahren ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Wo hat die Landesregierung bereits geliefert? In welchen Bereichen ist Vielversprechendes auf den Weg gebracht worden? Wo hakt es noch?

1. Gerechte Arbeit mit fairen Löhnen

„Unsere große Hoffnung war, dass Schleswig-Holstein Vorreiter und Vorbild für ganz Deutschland wird und sich für weitere Verbesserungen beim Mindestlohn stark macht“, formuliert Alfred Bornhalm, der im Vorstand des SoVD Schleswig-Holstein für Sozialpolitik verantwortlich ist. „Stattdessen übt die Landesregierung ungeniert die Rolle rückwärts!“

Unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung soll das Tariftreue- und Vergabegesetz ausgedünnt und ganz offensichtlich wirtschaftsfreundlich entkernt werden – zulasten der vorwiegend schlecht bezahlten Beschäftigten in der Arbeitswelt. Zwar steht noch nicht endgültig fest, welche Änderungen die Regierungskoalition tatsächlich auf den Weg bringen wird. „Aber eines ist jetzt schon klar: Besser wird es mit Jamaika nicht! Damit Rentnerinnen und Rentner nicht in die Altersarmut rutschen, muss alles dafür getan werden, den Mindestlohn auf mindestens zwölf Euro anzuheben“, so Alfred Bornhalm weiter. „Wer sich jetzt in eine andere Richtung bewegt, ignoriert die lebenswichtigen und elementaren Interessen gering verdienender Menschen und künftiger Rentnerinnen und Rentner.“

Unsere Note für die schleswig-holsteinische Landesregierung für den Bereich Arbeitsmarkt: mangelhaft

2. Mehr Einsatz für eine gerechte Rente

Weder Lob noch Tadel – so muss es wohl im Resümee heißen, denn die aktuelle Reform zur Stabilisierung der Rente und zur Verbesserung der Erwerbsminderungsrente hat allein der Gesetzgeber in Berlin veranlasst. Das jetzt verabschiedete Rentenpaket mit der „doppelten Sicherheitslinie“ für Beiträge und Rentenniveau bis 2025 und den Verbesserungen in der Erwerbsminderungsrente ist zu begrüßen, wenngleich insbesondere schon heute betroffene Erwerbsminderungsrentner wieder einmal enttäuscht wurden.

„Da allerdings nur ein langfristig gesichertes Rentenniveau von 53 Prozent Altersarmut verhindern kann, hat die Landesregierung noch viele Möglichkeiten, sich künftig für weitere Verbesserungen auf der Bundesebene einzusetzen“, betont Alfred Bornhalm. Im Koalitionsvertrag heißt es immerhin, „Vorsorge [muss sich] immer auszahlen“. Daher erwarten wir, dass sich die Jamaika-Koalition für einen Freibetrag in der Grundsicherung im Alter stark macht, der auch die gesetzliche Rente miteinbezieht.

Unsere Note für die schleswig-holsteinische Landesregierung für den Bereich Rente: befriedigend 

3. Recht auf eine angemessene Wohnung

Nach wie vor gilt, dass Schleswig-Holstein auf dem Wohnungsmarkt zweigeteilt ist: In vielen Landkreisen sind Wohnungen und Häuser günstig wie nie. In Kiel, Lübeck, dem Hamburger Umland oder auf den Nordseeinseln ist es dagegen extrem schwer, überhaupt eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Verlierer dieser Entwicklung sind wieder einmal die finanziell und wirtschaftlich benachteiligten Menschen in unserem Land.

„Spürbar hat die neue Landesregierung an dieser Misere nichts ändern können, die Situation verschärft sich sogar“, stellt Alfred Bornhalm nüchtern fest. Nicht zuletzt deshalb hat sich der SoVD entschlossen, gemeinsam mit dem Mieterbund eine Volksinitiative für bezahlbaren Wohnraum ins Leben zu rufen. Schon jetzt wurden mehr als 30.000 Unterschriften abgegeben. „Wir wollen klar und unmissverständlich das Recht auf angemessenen Wohnraum in der Landesverfassung verankert wissen! Wir sind sehr gespannt zu erfahren, ob die Regierungsfraktionen und die Landesregierung die in der Bevölkerung spürbare Erwartung – nämlich eines der größten sozialen Probleme im Land mit Tatkraft zu lösen – erfüllen können.“

Unsere Note für die schleswig-holsteinische Landesregierung für den Bereich Wohnen: mangelhaft 

4. Medizinische Versorgung muss auch auf dem Land möglich sein

Auch wir wissen, dass eine auf der Hand liegende Lösung in Monatsfrist in diesem Bereich nicht erzielt werden kann. Deshalb haben wir als SoVD der neuen Landesregierung Zeit gegeben und zu Beginn der Legislaturperiode formuliert: „… werden wir in fünf Jahren sehen können, ob die Landesregierung ihrer Aufgabe nachgekommen ist.“

Ob im Jahr 2022 dann wirklich mit einer verbesserten Situation gerechnet werden kann, ist mehr als fraglich. Die hinlänglich bekannten Entwicklungen – demografischer Wandel und Ärztemangel – werden uns arg zusetzen. Eine wirksame strategische Neuausrichtung ist bisher auch in der Landespolitik nicht feststellbar. „Land in Sicht? Nein, keineswegs, auf dem Land werden die Menschen künftig wohl noch länger im Wartezimmer zubringen müssen als heute. Vermutlich sind sie sogar froh, wenn überhaupt ein Arzt oder eine Ärztin präsent ist“, so Alfred Bornhalm.

Unsere Note für die schleswig-holsteinische Landesregierung für den Bereich Ärztliche Versorgung auf dem Land: ausreichend 

5. Echte Beteiligung von Menschen mit Behinderung am Bundesteilhabegesetz

SoVD-Vorstandsmitglied Alfred Bornhalm zeigt sich enttäuscht: „Von echter Beteiligung von Menschen mit Behinderung kann keine Rede sein.“

Das Resümee ist ernüchternd, aber eben auch nicht unbegründet, denn: Wir hatten als SoVD bei der Anhörung zum Ausführungsgesetz (Teilhabestärkungsgesetz) vorgeschlagen, in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt eine Arbeitsgemeinschaft oder einen Beirat für Menschen mit Behinderung einzurichten. Ziel sollte sein: Vor Ort die vielen komplizierten Fragen mit allen Beteiligten auf Augenhöhe besprechen und erörtern. Das Gesetz könnte sich in der Praxis ansonsten als ein Bürokratie-Monster entwickeln – so unsere Befürchtung.

Die Landesregierung ist darauf überhaupt nicht eingegangen. Erste Erfahrungen mit der Praxis vor Ort zeigen, dass Gespräche, Kommunikation und Austausch mehr als wichtig sind. Warum die Landesregierung nicht auf unsere Empfehlungen eingegangen ist? „Beteiligung steht zwar als Überschrift im Gesetz, das Land misst dem jedoch nur wenig Bedeutung bei. Ein Armutszeugnis!“, meint Alfred Bornhalm.

Unsere Note für die schleswig-holsteinische Landesregierung für den Bereich Bundesteilhabegesetz: mangelhaft 

Fazit: Es ist noch Luft nach oben

Zwar sind erst knapp eineinhalb Jahre vergangen, seitdem CDU, FDP und Grüne die Regierung in Schleswig-Holstein übernommen haben. Doch in den Kernbereichen der Sozialpolitik sind bisher nur wenige Ansätze zu erkennen, die auf eine wirkliche Verbesserung für sozial benachteiligte Menschen hoffen lassen. Dennoch bleiben wir optimistisch und werden die Arbeit der Landesregierung weiterhin kritisch begleiten.


Kommentare (4)

  • user
    Christian Schultz
    am 11.12.2018

    Solche "Zeugnisse" werden schon lange vergeben, unter anderem von Tageszeitungen wie dem SHZ. Die Begründung für unsere Noten können Sie dem Text entnehmen.

  • user
    Rolf Werner
    am 08.12.2018

    Seit wann gibt es diese Art eines Zeugnisses und welches Ziel wird damit verolgt? ,Würde ganz gerne die Kriterien kennen wofür die 1 bis 6 stehen? Zudem stellt sich die Frage, von wem die Mittel erwirtschaftet werden, um die bereits bestehenden Sozialleistungen in Höhe von 1Billion € jährlich zu schultern und wie die Zukunft der nachwachsenden Generationen gesichert eerden kann?

  • user
    Ulrich Hühn
    am 01.12.2018

    Ich bin immerhin froh darüber, das der wissenschaftliche Beirat zum Zukunftslabor zur Erforschung unter anderem des bedingungslosen Grundeinkommen ausgeschrieben wurde. Eine geringe Bewegung ist also drin

  • user
    Conny Kayser
    am 01.12.2018

    Ich habe auch die Note mangelhaft vergeben. Es hat sich nichts geändert. Es wird viel geredet, nur nichts getan. Die Verantwortlichen müssen sich am Handeln und nicht am guten Willen messen lassen.

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