Neumünster. Die Probleme in der Pflege sind vielfältig. Der Sozialverband SoVD, Landesverband Schleswig-Holstein, hat im Rahmen seiner diesjährigen Kampagne verschiedene Aspekte des Pflegenotstandes thematisiert, darunter die Belastung von pflegenden Angehörigen und die stark ausufernden Eigenanteile, die das Armutsrisiko von Pflegebedürftigen immer weiter vergrößern. Aus der Sicht des größten Verbands in Schleswig-Holstein, der sich für seine über 160.000 Mitgliedern auf diesem wichtigen politischen Feld seit jeher für Verbesserungen einsetzt, ist die Beschreitung neuer Wege in der Pflegepolitik dringend notwendig, um im Angesicht des demographischen Wandels den Kollaps des Pflegesystems abzuwenden. Auf dem diesjährigen Fachtag Pflege, der am 05.10. in der Stadthalle Neumünster stattfand, stand das Thema der kommunalen Verantwortung im Zentrum. Die rund 80 Zuhörer*innen aus Fachkreisen und Ehrenamt diskutierten angeregt die verschiedenen Positionen der Referenten.
Prof. Dr. Ingo Heberlein (SoVD) beleuchtete in seinem Eingangsvortrag das zunehmende Engagement von Finanzinvestoren in der stationären Pflege und die Auswirkungen, die die damit verbundenen Renditeerwartungen auf die Versorgung der Pflegebedürftigen und auf die Pflegekassen haben. Er stellte gemeinsam mit dem Landesvorsitzenden Alfred Bornhalm Möglichkeiten zur Einführung eines regionalen Pflegebudgets vor, basierend auf Berechnungen der Bertelsmann Stiftung. Hierdurch ließe sich die finanzielle Handlungsfähigkeit kommunaler und regionaler Akteure maßgeblich verbessern und damit die Pflegesituation insgesamt. Gleichzeitig ließe sich auch die stationäre Unterbringung von Pflegebedürftigen, die in Schleswig-Holstein eine viel größere Rolle spielt als in anderen Bundesländern, langfristig zugunsten von mehr ambulanter Pflege zurückdrängen. Damit würde auch dem Wunsch vieler älterer Menschen nach längerem Verbleib in den eigenen vier Wänden Rechnung getragen.
Im Anschluss berichtete der Kieler Sozialdezernent Gerwin Stöcken von der Pflegesituation und den Handlungsspielräumen der Landeshauptstadt. Kontrastiert wurde dies durch das Statement von Christian Grelck, dem Fachbereichsleiter für Arbeit und Soziales beim Kreis Nordfriesland, der die Situation in einem ländlich geprägten Kreis beleuchtete.
Den Abschluss bildete ein Vortrag des SoVD-Landesvorsitzenden Alfred Bornhalm, der die Frage nach den aktuell notwendigen politischen Weichenstellungen im Pflegebereich aus Sicht des SoVD darlegte.
Er betonte die Notwendigkeit der Stärkung der kommunalen Verantwortung für die Organisation guter Pflege. Die Daseinsvorsorge gehöre zu den grundlegenden Aufgaben der Kommunen und Wohn- und Pflegebedarfe müssten langfristig geplant werden. Die Pflegekassen könnten diese Anforderungen allerdings selbst nicht erfüllen. Darüber hinaus müsse die strukturelle Unterfinanzierung des Pflegesystems beseitigt werden.
Um langfristig die Pflege zu verbessern bedürfe es eines Ausbaus der Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung, die das gesamte Pflegerisiko abdeckt und die in Form einer Bürgerversicherung organisiert sein müsse. Die notwendigen und begrüßenswerten Lohnsteigerungen bei den Pflegekräften hätten allerdings auch zu exorbitant steigenden Eigenanteilen besonders bei stationär untergebrachten Pflegebedürftigen geführt, was wiederum die dringende Notwendigkeit einer besseren finanziellen Ausstattung des Pflegesystems betonte.
Insgesamt blickt der SoVD zurück auf einen spannenden Tag mit vielfältigen und engagierten Diskussionen, die zuversichtlich stimmen, dass in nächster Zeit Bewegung in die eingefahrenen Strukturen der Pflegepolitik kommt.
Dr. Thorsten Harbeke
Referat Sozialpolitik und Kommunikation