„Das kann doch nicht richtig sein!“
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Seit acht Jahren bezieht Andreas Freund aus Ahrensburg eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. „Früher war ich beruflich immer auf der Überholspur. Habe sehr viel gearbeitet und nicht schlecht verdient. Erst als Küchenchef, später in der Versicherungsbranche.“ Doch dann kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten. Dauerhaft. Seitdem lebt er nach Abzug seiner Fixkosten von 240 Euro im Monat.
Schlimm genug. Doch was den 60-Jährigen besonders stört, sind die aktuellen Regeln zum Hinzuverdienst. Weil die Rente allein nicht zum Leben reicht, bezieht Andreas Freund zusätzlich die Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Ähnlich wie eine Aufstockung beim Jobcenter. Aber nur ähnlich. Denn beim Hinzuverdienst gibt es einen wichtigen Unterschied.
„Wenn ich jetzt einen Nebenjob machen würde, dürfte ich nur 30 Prozent des Lohns behalten. Den Rest bekommt das Sozialamt, so das SoVD-Mitglied aus Ahrensburg. „Wer hingegen Bürgergeld bezieht, darf die ersten 100 Euro eines Minijobs komplett in die eigene Tasche stecken. Das kann doch nicht richtig sein!“
Andreas Freund hat recht: Das neue Bürgergeld, früher „Hartz IV“, wird durch das Sozialgesetzbuch (SGB) II geregelt. Die Grundsicherung jedoch findet sich im SGB XII. Die Richtlinien zum Hinzuverdienst sind unterschiedlich – obwohl Empfängerinnen und Empfänger beider Leistungen ansonsten nach fast identischen Regeln behandelt werden. Die monatliche Geldleistung vom Amt zum Beispiel ist gleich hoch. „Genau das ist eine schreiende Ungerechtigkeit“, so Andreas Freund. „Es ist doch sonst alles gleich. Dieselben Kosten. Der eine darf, der andere nicht. Das kann doch nicht richtig sein!“
Auch der SoVD in Schleswig-Holstein hält die Regelung für nicht mehr zeitgemäß. „Wer Geld vom Amt bekommt und sich etwas dazu verdienen möchte, sollte dort Unterstützung finden“, so der SoVD-Landesvorsitzende Alfred Bornhalm. „Es ist nicht nachzuvollziehen, warum der eine im Jobcenter die ersten 100 Euro komplett behalten darf, der andere beim Sozialamt aber nur 30 Prozent. Die Politik muss das so schnell wie möglich ändern!“
Das wünscht sich Andreas Freund. Er sagt: „Am schlimmsten ist, dass ich durch meine Krankheit nicht mehr selbst für meinen Lebensunterhalt aufkommen kann. Aber zumindest etwas hinzuverdienen – und das dann auch behalten, das würde ich gern.“
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Kommentare (4)
Nich So Schöner Username
am 30.03.2023Erstmal @Dodala Duhananda Indha Bhude: Das ist der schönste Username, den ich je gesehen habe! :-)
Und zum Artikel - wieder ganz ernst: Das ist ja leider nicht die einzige Ungerechtigkeit zwischen SGB II- und SGB XII-Bezug. Ich persönlich muss auch eine volle Erwerbsminderungsrente beziehen und mit Grundsicherung (SGB XII) aufstocken - und kann nicht dazuverdienen, auch nicht teilweise. Und darf, wie alle SGB XII-ler, noch nicht einmal Sachgeschenke annehmen, ohne Sozialbetrug zu begehen. Eine weitere Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Warum Tafeln erlaubt sind, sogar vom Staat unterstützt werden, ich aber von Freunden usw. mir keinen Gutschein für Lebensmittel schenken lassen darf - mir fehlen da immer wieder die Worte. Und solcher Ungleichheiten gibt es noch einige mehr.
Ich bin dankbar für jeden, der "aufsteht" gegen die Ungerechtigkeiten im "Sozialsystem". In diesem Sinne auch ein herzliches Dankeschön an Herrn Freund, dass er Gesicht zeigt und seine Geschichte erzählt. Und dem SOVD, wie allen Sozialverbänden und Mitstreitern, auch ein großes Danke für Ihr Engagement!
Sebastian Werner
am 30.03.2023Wie passt das zusammen? Hier steht dazu etwas anderes: https://www.gegen-hartz.de/news/bessere-hinzuverdienste-bei-erwerbsminderungsrente-und-fruehrente
Joswig
am 02.04.2023Sie müssen unterscheiden zwischen einen Frührentner und ein Erwerbsminderungsrentner, der auf Grund seiner gesundheitlichen Einschränkung "dauerhaft", also unbefristet, bis zur gesetzlichen Altersrente erwerbsgemindert ist. Ein Frührentner kann jetzt viel dazuverdienen, dem schreibt man nichts mehr vor.; er hat seine Rente, nur früher und kann sich frei bewegen. Was er macht, ist seinem Rententräger für Alterssicherung so ziemlich egal. Ein EWR ist in dem System -wie es jetzt zur Zeit ist- gefangen; solange das System nicht geändert wird. Stellen Sie sich vor, Sie finden ein Beschäftigungsverhältnis, das ist ja auch erstmal nicht so einfach, und verdienen 300,- Euro. Dann dürfen Sie 90,- Euro behalten und 210 Euro werden von der ergänzenden Grundsicherung abgezogen. Das ist nicht richtig und auch nicht wertschätzend! Bei einem angenommen Mindestlohn von 12,- Euro die Sunde verdienen Sie 3,60,-. Gehen Sie dafür arbeiten? Da wird man ja Depressiv.
Ob krank oder nicht krank! Ich kann das Geschriebene nur 1:1 bestätigen, da ich einen guten Freund habe, der in ähnlicher Situation ist. Wenn ihm da nicht irgendein Arbeitgeber, und den muss man auch erst einmal finden, anderweitig entgegen kommt bleit ihm nur noch die Schwarzarbeit. Und das ist dann dem System geschuldet. Ich hatte gehofft, dass mit der Einführung des neuen Bürgergeld die Freibeträge bei Erwerbseinkommen im SGB XII dem SGBII angepasst werden; leider war das nicht der Fall, obwohl der Missstand den Sozialverbänden seit vielen Jahren bekannt ist. Da hat sich nichts geändert. Das Thema, dass hier aufgegriffen wird, gibt es seit der Einführung der Grundsicherung bei Erwerbsminderungsrente. Noch nicht einmal von den Rentenerhöhungen zum 01.07. der letzten Jahre bleibt nichts übrig, den die wird komplett von der Grundsicherung abgezogen. Armes Deutschland!
Dodala Duhananda Indha Bhude
am 30.03.2023Man sollte beim Vergleich alle Parameter betrachten !
Bei Grusi ist die Arbeitsstrafsteuer proportional 70% - bei Hartzi sind die ersten 100€ frei, aber danach beträgt die Arbeitsstrafsteuer 80%
Ein 520er Minijob kostet bei Harzi 336 € während bei Grusi 364 € Strafe für die Blödheit, arbeiten zu wollen zu entrichten ist.
Für Rentner ist das dann €28 teurer, allerdings braucht der auch keine Rentenabgabe mehr zu leisten, die beim Harzi (freiwillig) €19 betragen würde. Die allerdings dann auch weniger angerechnet würden, also unterm Strich eigentlich nur ca. 4€ kosten.
Zum Glück ist das alles so schön kompliziert, dass auch möglichst viele Menschen ihre Ansprüche nicht kennen und deshalb erst gar nicht beantragen. Sonst würde das den Staat soviel kosten, dass er keine Kriege in EU-Beitrittskandidatenländern finanzieren könnte.
Andererseits ist das wohl auch der soziale Gedanke, den Menschen, die am Existenzminimum herumvegetieren, den Löwenanteil ihrer kärgkichen Einkünfte wegzunehmen, während notleidende Großkonzerne mit einer Körperschaftssteuer von nur 15% belastet werden. Aber wie könnten sonst die Milliardenbonuszahlungen an die Vorstandsmitglieder der Pleitebanken ausgezahlt werden ?
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