Ende Krankengeld: Muss ich sofort auf die Krankmeldung verzichten?
Aktuelles Gesundheit
Wenn das Krankengeld ausläuft, geht es für die meisten Menschen bei der Arbeitsagentur weiter. Hier kann dann zunächst Arbeitslosengeld bezogen werden. Nach dem Antrag prüft das Arbeitsamt allerdings zunächst, ob die sogenannte "Nahtlosigkeitsregelung" zur Anwendung kommt.
Nahtlosigkeitsregelung - was das bedeutet und was das mit dem Thema Krankschreibung zu tun hat, klären wir gleich.
Zunächst aber noch einmal zum generellen Prozedere: Ungefähr zwei Monate vor der Aussteuerung - so nennt man das Ende des Krankengeldes - werden Sie einen Brief von Ihrer Krankenkasse erhalten. Falls nicht, rufen Sie dort bitte an und fragen ausdrücklich nach diesem Schreiben. Denn das brauchen Sie demnächst für Ihren Antrag auf Arbeitslosengeld.
Auch wenn es für viele erst einmal widersinnig erscheint: Sie haben in dieser Situation Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ohne Wenn und Aber. Ja, es stimmt: Es besteht noch ein Arbeitsvertrag. Trotzdem können Sie nun Arbeitslosengeld beziehen.
Prüfung der Nahtlosigkeit
Dafür stellen Sie einen Antrag bei der Arbeitsagentur. Und zwar rund zwei Monate vor dem Auslaufen des Krankengeldes. So bleibt der Arbeitsagentur genug Zeit, um Ihren Antrag zu bearbeiten.
Denn neben der üblichen Prüfung des Anspruchs wird jetzt auch der ärztliche Dienst der Arbeitsagentur eingeschaltet.
Warum? Weil der Ärztliche Dienst ermitteln wird, wie schwer es wirklich um Ihre Krankheit bestellt ist.
Kein Witz. Die Arbeitsagentur wird eine Prognose aufstellen. Und zwar, ohne Sie persönlich untersucht zu haben. Zumindest in den allermeisten Fällen, denn fast immer geschieht das nach Aktenlage. Der Ärztliche Dienst wird sich also bei Ihrem Haus- oder Facharzt nach Ihrem gesundheitlichen Zustand erkundigen.
Die alles entscheidende Frage lautet dann: Können Sie gar nicht arbeiten - also unter drei Stunden täglich? Und das für einen Zeitraum von voraussichtlich mindestens sechs Monaten? Dann wird die schon angesprochene Nahtlosigkeitsregelung aktiv.
Ganz konkret hat das zwei Folgen:
1. Sie bekommen ohne Probleme Arbeitslosengeld.
2. Sie müssen eine Reha bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen.
Zum ersten Punkt müssen wir nichts weiter ausführen. Denn das ist gut für Sie. Punkt 2 ist schwieriger und dient der Arbeitsagentur herauszufinden, ob Sie nicht doch lieber in die Erwerbsminderungsrente gehören. Ausführliche Infos zu diesem Reha-Antrag nach der Aussteuerung haben wir in diesem Beitrag für Sie zusammengefasst.
Oder in diesem Video:
Und jetzt genug der Vorrede. In unserer Sozialrechtsberatung sprechen wir jeden Tag mit SoVD-Mitgliedern, die am Ende des Krankengeldes wissen wollen: Muss ich mich nun weiter krankschreiben lassen?
Oder manchmal auch: Darf ich mich nun überhaupt weiter krankschreiben lassen?
Nach der Aussteuerung: Mit oder ohne Krankenschein?
Auch hier kommt es wieder darauf an. Sobald die Nahtlosigkeitsregelung greift, ist die Krankmeldung unproblematisch. Anders verhält es sich, wenn der Ärztliche Dienst der Ansicht ist, dass Sie doch nicht sooo krank sind. Denn falls die Nahtlosigkeitsregelung abgelehnt wurde, ist es in der Regel von Nachteil sich weiter krankschreiben zu lassen. Im schlimmsten Fall droht der Verlust des Arbeitslosengeldes. Mehr dazu in diesem Beitrag.
Und vorher? Also vor dem Zeitpunkt, an dem der Ärztliche Dienst seine schicksalhafte Entscheidung bekannt gibt?
Entwarnung: Sie können sich krank schreiben lassen. Noch einmal: Das kann erst zum Problem werden, sobald die Nahtlosigkeitsregelung offiziell abgelehnt wurde. Denn in diesem Fall müssen Sie sich ja theoretisch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen, um Geld zu bekommen. Obwohl es noch einen Arbeitsvertrag gibt.
Die Frage, ob Sie nun offiziell krank sind oder nicht, haben Sie nach der Aussteuerung nicht mehr selbst in der Hand. Auch nicht Ihr Hausarzt. Es kommt nur darauf an, was der Ärztliche Dienst der Arbeitsagentur denkt.
Deshalb lautet unsere klare Empfehlung für Sie: Sollte es rund um die Aussteuerung Schwierigkeiten geben, lassen Sie sich bitte persönlich beraten. Zum Beispiel beim SoVD. Uns gibt es in ganz Deutschland.
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Kommentare (9)
Olaf
am 28.11.2024Hallo...
Ich hätte eine Verständnissfrage:Ich bin nach Fahrrad Unfall krankgeschrieben und beziehe bereits Krankengeld(seit 7.9.24).Jetzt hat meine Firma mir betriebsbedingt gekündigtzum 31.1.25...Wann,oder überhaupt muss ich mich Arbeitlos melden?
Viele Grüsse und Vielen dank im Voraus
Christian Schultz
am 29.11.2024Hallo Olaf, Sie müssen die Kündigung auf jeden Fall bei der Arbeitsagentur melden. Nach dem Auslaufen des Vertrages werden Sie aber weiter Krankengeld beziehen, falls Sie dann noch krankgeschrieben sind.
Susanne
am 13.06.2024Hallo Herr Schultz,
ich bin seit 4 Wochen ausgesteuert und warte auf die Entscheidung des medizinischen Dienstes der Arbeitsagentur - mit der Hoffnung auf die Nahtlosigkeitsregelung. Ich bin weiterhin krankgeschrieben und mein Arbeitgeber verlangt auch die AU's. Muss ich meine AU's bis zur Entscheidung des medizinischen Dienstes bei der Arbeitsagentur einreichen? Oder könnte ich mich theoretisch auch darauf berufen, dass die Agentur diese auch bei der Krankenkasse abrufen könnte? Bisher habe ich schlichtweg nicht daran gedacht, die AU's bei der Arbeitsagentur einzureichen. Kann ich dadurch Schwierigkeiten bekommen?
Sollte die Nahtlosigkeit abgelehnt werden, wird es vermutlich kritisch. Ich muss mich wegen meines Arbeitgebers weiter AU schreiben lassen. Zwar muss ich die AU ja nicht bei der Arbeitsagentur einreichen, aber diese kann ja seit Anfang 2024 die AU bei der Krankenkasse abrufen. Ich könnte mir vorstellen, dass es dann zu Problemen kommen kann.
Vielen Dank für Ihre ausführlichen Newsletter, die die alltäglichen Probleme auf den Punkt bringen! Und für Ihr großartiges Buch, das Sie geschrieben haben.
Und zu guter Letzt: Herzlich Willkommen im schönen München und viel Spaß bei der EM :-)
Christian Schultz
am 26.06.2024Hallo Susanne, Sie haben recht: Mit der elektronischen Übermittlung ist es nicht mehr möglich, die Arbeitsagentur bei der Krankmeldung zu umgehen. Das bedeutet: Sollte die Nahtlosigkeitsregelung abgelehnt werden, kann es erforderlich sein, ganz auf die Krankmeldung zu verzichten. Dann muss man mit dem Arbeitgeber sprechen und das Problem schildern.
Falls Probleme auftauchen, bitte persönlich beraten lassen.
P.S.: In München war es wirklich gut!
MK
am 03.06.2024Hallo,
ich arbeite bereits viele Jahre in der Sozialberatung einer Rehaklinik, die Aussteuerung ist unser tägliches Thema.
Daher hierzu noch ein Tipp: Wenn man sich wegen Aussteuerung bei der Arbeitsagentur gemeldet hat, bekommt man mit dem auszufüllenden Gesundheitsfragebogen für den Medizinischen Dienst ein "Informationsblatt zur Vorstellung im Ärztlichen Dienst".
In diesem Infoblatt ist der Vorgang sehr genau beschrieben, und es wird auch darauf hingewiesen (!), dass man keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr einreichen soll, wenn der medizinische Dienst ( oder eine Rehaklinik) festgestellt hat, dass noch Restleistungsvermögen besteht. Besteht man auf das Einreichen der Arbeitsunfähigkeit, riskiert man sein Arbeitslosengeld.
Das Lesen dieser Informationen ist zwar oft sehr mühselig, man muss sich aber damit beschäftigen...und im Notfall hilft ja der SoVD oder auch eine allgemeine Sozialberatung.
Während einer medizinischen Reha unterstützt bei diesen Themen immer die Sozialberatung der Rehaklinik, heute gibt es keine Rehaklinik mehr ohne Sozialberatung.
Viele Grüße
MK
Griesel
am 30.05.2024Spielt die Natlosigkeitsregelung auch eine Rolle, wenn man nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis steht?
Wwnn man weiter krank ist und der behandelnde Arzt einen weiter krank schreibt, bekommt man dann trotz Krankheit Arbeitslosengeld?
Herzlichen Dank bereits jetzt für Ihre Antwort Herr Schulz.
Christian Schultz
am 31.05.2024Ja, die Nahtlosigkeit wird auch ohne Arbeitsvertrag geprüft. Es geht dann genauso darum, ob Sie sich für das ALG um neue Jobs bemühen müssen oder nicht.
Feldrain
am 31.05.2024Ich habe zu Ihrer Antwort eine Frage. Verstehe ich es richtig, dass wenn ich man sich dann arbeitslos melde, ggf. das Arbeitsamt sagt, man bekommt Arbeitslosengeld, muss sich aber nicht um Arbeit bemühen auf Grund der Erkrankung ( ich habe eine schwere Depression)? Oder das Amt sagt, man kann arbeiten und zahlt deswegen kein ALG1. Wäre es da nicht besser sich nicht weiter krank schreiben zu lassen und darauf zu vertrauen, dass Bewerbungen nicht erfolgreich sind und man so Arbeitslosengeld beziehen zu kann?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Christian Schultz
am 31.05.2024Wenn Sie keinen Job haben, könnte man das so auch machen. Wird aber sicherlich stressig. Was die beste Strategie ist, müsste man ohnehin IMMER im Rahmen einer persönlichen Beratung klären.
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