Rückwirkende EM-Rente zerschießt Anspruch auf Grundrente
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Viele sehnen sich die Erwerbsminderungsrente nach langer Krankheit geradezu herbei. Und vielerorts ist sie tatsächlich eine Art rettender Hafen nach zermürbenden Monaten im Kranken- und Arbeitslosengeld. Was viele in diesem Moment sicherlich nicht auf der Pfanne haben: Die EM-Rente kann noch zum Problem werden. Vor allem dann, wenn sie rückwirkend gezahlt wird.
Beziehen Sie eine Erwerbsminderungsrente? Oder haben Sie eine beantragt und warten auf den Termin mit dem Gutachter? Oder auf den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung (DRV)? Dann ist die Grundrente vermutlich das Letzte, an das Sie in den letzten Wochen und Monaten gedacht haben. Falls Sie beim Thema Grundrente noch einmal auf den aktuellen Stand gebracht werden möchten, schauen Sie am besten einmal hier vorbei.
Aber - die Bewilligung Ihrer EM-Rente kann genau für dieses Thema noch Folgen haben. Leider negative Folgen. Warum? Schauen Sie mal in dieses Video.
So wirkt sich die EM-Rente auf Ihren Anspruch zur Grundrente aus
Falls Sie sich das Video gerade nicht anschauen können oder möchten, kommen hier die wichtigsten Punkte:
- Auch mit sehr kleiner Rente haben Sie nicht automatisch Anspruch auf den neuen Zuschuss über die Grundrente
- Die Grundrente ist keine neue Art der Sozialhilfe, die Ihren Lebensunterhalt aufstocken soll - viele Menschen verwechseln sie mit der Grundsicherung im Alter
- Um überhaupt Anspruch auf eine Leistung der Grundrente zu ergattern, benötigen Sie mindestens 33 sogenannte "Grundrentenjahre"
Besonders der letzte Punkt ist für unser heutiges Thema entscheidend. Denn sowohl den Zuschuss über die neue Grundrente als auch einen sehr wichtigen Freibetrag in der Grundsicherung bekommen Sie nur, wenn auf Ihrem Rentenkonto wenigstens 33 Jahre einer ganz bestimmten Wartezeit zu finden sind.
Die Grundrentenzeit
Solche Wartezeiten gibt es in vielen Varianten der gesetzlichen Rente. Wenn Sie unsere Artikel regelmäßig verfolgen, kennen Sie diese wichtigen Zeiten sicherlich von der vorgezogenen Altersrente.
Sie finden in der oben abgebildeten Übersicht natürlich die üblichen Verdächtigen wie versicherungspflichtige Beschäftigung oder Kindererziehung. Interessanter ist jedoch, was nicht in dieser Liste steht.
Und aus unserer Sicht fehlt da vor allem:
- der Bezug von Arbeitslosengeld (ALG I, ALG II)
- Zurechnungszeiten
Zurechnungszeit
Der Begriff "Zurechnungszeit" sagt Ihnen vielleicht nicht direkt etwas. Wenn jemand so krank ist, dass er nicht mehr arbeiten kann und eine Erwerbsminderungsrente bezieht, wird diese anhand der Zurechnungszeit hochgerechnet. So als ob Sie bis zu einem bestimmten Alter hätten arbeiten können.
Denn: Da Sie in dieser Situation so krank sind, dass Sie ihren Lebensunterhalt nicht durch Arbeit finanzieren können, fehlen Ihnen zum Rentenbeginn Entgeltpunkte auf dem Rentenkonto. Die Zurechnungszeit soll das ausgleichen.
Zurechnungszeit ist keine Grundrentenzeit
Sobald Sie also eine EM-Rente erhalten und darüber hinaus keine Einnahmen erzielen - zum Beispiel aus einem Minijob - wächst Ihr Rentenkonto nur noch um Zurechnungszeiten. Das ist erst einmal nicht schlimm. Doch wenn Sie im Alter nur eine kleine Rente haben und sich nach der neuen Grundrente umschauen, kann Ihnen genau das einen Strich durch die Rechnung machen.
"Sobald Sie Erwerbsminderungsrentner sind, sollten Sie auch an die Zukunft denken. Falls es noch viele Jahre bis zur Altersrente sind, können Sie zum Beispiel über einen Minijob wichtige Zeiten für Ihre spätere Rente sammeln."
Christian Schultz, SoVD Schleswig-Holstein
Bei den Grundrentenzeiten wird die Zurechnungszeit nicht anerkannt. Ganz konkret bedeutet das: Obwohl Sie sich die Erwerbsminderung nicht ausgesucht haben und diese zu einem großen Teil dafür verantwortlich ist, dass Sie nur eine kleine Altersrente bekommen werden - erhalten Sie genau aus diesem Grund noch nicht einmal den Zuschuss über die neue Grundrente. Es sei denn, Sie kommen irgendwie auf 33 Grundrentenjahre.
EM-Rente rückwirkend: Jetzt wird's kompliziert
Richtig fies kann es für Sie ausgehen, wenn wir uns folgenden Fall anschauen: Es ist gar nicht so selten, dass eine Erwerbsminderungsrente erst nach langer, langer Zeit gezahlt wird. Bevor es soweit ist, haben Sie vermutlich schon das Krankengeld ausgeschöpft. Und nach der Aussteuerung ALG I bezogen.
Ein Antrag zur EM-Rente wird von den betroffenen Menschen häufig erst als Ultima ratio gesehen und daher sehr spät gestellt. Oder Sie haben sich bereits sehr zeitig darum gekümmert - oder wurden von der Krankenkasse dazu gedrängt - und es hat trotzdem viele Monate gedauert, bis die DRV eine Rente bewilligt hat.
Das geschieht dann häufig rückwirkend.
Benno aus Norderstedt ist nach dem Krankengeld ausgesteuert und auf den letzten Metern des Arbeitslosengeldes. Seit sechs Monaten läuft ein Antrag bei der DRV. Jetzt kommt der Bescheid: Die EM-Rente wurde bewilligt, und zwar rückwirkend zum 01.07. des Vorjahres. Zu diesem Zeitpunkt hat Benno sogar noch Krankengeld erhalten.
Falls Sie so etwas erleben, beginnt im Hintergrund das Geschacher um Geld. Denn Krankenkasse und Arbeitsagentur möchten nicht auf den Kosten sitzenbleiben. Mehr zu diesem Thema finden Sie in diesem Artikel.
Da Bennos Erwerbsminderungsrente rückwirkend bewilligt wurde, war diese virtuell also eigentlich schon in der Zeit vorhanden, als er eigentlich noch Krankengeld bezog. Und kurz darauf Arbeitslosengeld. Wie schon beschrieben, über die Verrechnungen im Hintergrund muss sich der Betroffene keine Gedanken machen.
Rückwirkende EM-Rente ist Zurechnungszeit
Aber - weil die EM-Rente eben auch schon vor einem Jahr offiziell bewilligt war, zählt diese Zeit nun nicht mehr als Krankengeld. Beim Arbeitslosengeld wäre es mit Blick auf die Grundrente egal. Denn wie wir bereits wissen, wird der Bezug von ALG bei der Grundrentenzeit nicht berücksichtigt.
Krankengeld aber schon. Und so verliert Benno aus unserem Beispiel wichtige Zeiten, die eventuell später noch einmal für die Grundrente erforderlich sind.
Fazit
Merken Sie sich bitte vor allem: Weder Arbeitslosengeld noch die Zurechnungszeit bei der EM-Rente gelten als Grundrentenzeit. Falls Sie also damit rechnen müssen, in einigen Jahren mit einer kleinen Altersrente über die Runden kommen zu müssen, sollten Sie sich frühzeitig mit diesem Thema befassen.
Ein erster wichtiger Schritt ist die Kontenklärung bei der DRV. Das ist ein kostenloser Service, den Sie ruhig deutlich vor dem geplanten Rentenbeginn in Angriff nehmen sollten. Denn hier erfahren Sie, welche Wartezeiten Sie bereits für welche Rentenarten erfüllen. Dann können Sie vielleicht noch gegensteuern, um sich bestimmte Leistungen zu sichern.
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